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Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Titel: Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)
Autoren: Harald Martenstein
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der Familie. Die Eltern der Ehefrau und der Lebensgefährte der Tante, also der Tenor, die verstanden sich überhaupt nicht, das hatte die Ehefrau den Nachbarn erzählt. Pech. Vielleicht hätten die Nachbarn sonst sogar bei der Polizei angerufen.
    Buschmann hat sich dann nach ein paar Tagen an den Fall aus dem Vorjahr erinnert, der Lamettawürger, das war erst mal nur eine von mehreren Arbeitshypothesen, der Lamettawürger und der Christbaumstecher könnten womöglich identisch sein.
    Es fehlte auch diesmal nichts in der Wohnung, es gab erstaunlicherweise keine nennenswerten Spuren, und das, woran man sich kriminologisch halten konnte, war eigentlich nur die ungewöhnliche Tatwaffe, die Christbaumspitze. Die Tatwaffe deutete auf ein spontanes Verbrechen hin. Wenn ich in eine Wohnung reingehe, um sechs Personen kaltzumachen, hey, da nehme ich doch, egal, wie wahnsinnig ich bin, eine Waffe mit und verlasse mich nicht drauf, dass die zufällig eine Christbaumspitze aus Bleikristall vorrätig haben. Andererseits sprach die Abwesenheit von Spuren für eine sorgfältige Planung. Ein Irrer, der im Blutrausch ist, hinterlässt Spuren wie ein Lkw, der in eine Baumschule brettert.
    Kurz gesagt, nix passte zusammen.
    Buschmann hat von Anfang an darauf beharrt, dass wir auch in Richtung Einzeltäter ermitteln müssen. Da hat ihn zuerst jeder für verrückt erklärt. Sechs Opfer. Das kann ein Einzelner gar nicht packen. Niemals. Die wehren sich doch. Persönlich bin ich mit Buschmann nie richtig warm geworden, der war ein bisschen arrogant, mir hat die Grünbaum als Typ ehrlich gesagt mehr gelegen. Aber als Kriminalist war Buschmann erste Liga, das ist einfach so. Hut ab, Buschi! Wo immer du jetzt sein magst!
    Also, ich fasse mal die folgenden Weihnachtsfeste zusammen. Eildurchlauf. Nur das Wichtigste. In Regensburg wurde ein alleinstehender Restaurantbesitzer, der an Heiligabend das Menü für den ersten Feiertag vorbereitet hat, mit dem Kopf in seine Weihnachtsgans hineingesteckt, rektal, Tod durch Ersticken. In Alzey hat es eine vierköpfige Gruppe von portugiesischen Gastarbeitern erwischt, in ihrer Baracke, im Glühwein war südamerikanisches Pfeilgift drin. Das wird übrigens aus Fröschen gemacht. Hochinteressante Tiere. In Kleve ist ein Pfarrer, der sich auf die Christmette zu Mitternacht vorbereitet hat, in der Sakristei am Adventskranz aufgehängt worden, mithilfe seines Beffchens. In Kiel haben ein paar Mittdreißiger gemeinsam an Heiligabend eine X-Mas-Party gefeiert, coole Sache, am nächsten Morgen waren die spurlos verschwunden. Wir haben eine volle Woche gebraucht, bis wir dahinterkamen, dass die, in Acryl gegossen, mit Glasaugen und angeklebten Bärten, als Krippenfiguren im Kölner Dom standen, ein bisschen versteckt. Das war logistisch schon eine Meisterleistung des oder der Täter. Später gab es einen Künstler, Damien Hirst, der das mit Schafen und Haifischen kopiert hat. Schafe, eine Kleinigkeit, unser Täter hat es sich da nicht ganz so einfach gemacht. Den Hirst haben wir übrigens überprüft, der hatte ein Alibi.
    Das sind alles Schicksale, keine Frage. Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass mir so was nicht nahe geht. Rein menschlich, sag ich mal. Aber als Kriminalist musst du objektiv bleiben, kühl und klar im Kopf. Da darfst du die Schicksale nicht an dich ranlassen. Klar, es kommt auch mal vor, dass man eine gewisse widerwillige Bewunderung empfindet für einen Täter, obwohl die innere Stimme sagt, stopp, halt, das ist doch ein Verbrecher. Wenn man Krimis liest, Henning Mankell oder wie sie alle heißen, vergisst man auch leicht, dass es da um Schicksale geht. Man denkt, es ist Unterhaltung. Aber es sind Schicksale, auch wenn sich das einer bloß ausgedacht hat. Der Mensch als solcher ist ganz schön abgebrüht, sage ich Ihnen.
    Nach der Wende haben wir gehofft, dass der Weih nachtsmörder ein Phänomen der alten Bundesländer bleibt. Aber schon am 24. Dezember 1989 hat der Weih nachtsmörder in Schwerin einen ehemaligen Volks kam merabgeordneten und Kreissekretär, der am späten Nachmittag noch schnell einen Baum besorgen wollte, in die Maschine zum Baumzerhäckseln hineingestopft. Wir haben dann am zweiten Feiertag Reste von diesem Kreissekretär, darunter die Brille und mehrere Fußzehen, auf dem Schweriner Weihnachts markt in der Soljanka gefunden – eine furchtbare Sache, wenn man mal drüber nachdenkt.
    Jedenfalls hat der Weihnachtsmörder von der neuen Reisefreiheit zügig Gebrauch
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