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Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Titel: Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)
Autoren: Harald Martenstein
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Weihnachten erlebt, das ging bei dem ganz tief rein und hat sämtliche Sicherungen durchschmurgeln lassen. Wahrscheinlich ein Kindheitserlebnis. Oder was Sexuelles.
    Na, wunderbar. Jetzt frage ich Sie, wie findet man so einen? Ich weiß es nämlich nicht. Das muss gar keine große Sache sein, die dem widerfahren ist, die Leute drehen manchmal wegen Kleinigkeiten durch. Also, relativen Kleinigkeiten. Hat er seine Freundin am Heiligen Abend in flagranti mit dem Weihnachtsmann vom Studentenwerk erwischt? Unterm Baum? Hat er sich als Kind ganz doll eine Eisenbahn von Märklin gewünscht, aber die Eltern haben ihm immer nur Holzspielzeug geschenkt? Hat er beim ersten Mal ein sexuelles Misserfolgserlebnis gehabt, und im Hintergrund lief zufällig »O Tannenbaum«? Alles möglich, alles schon da gewesen. Das war in unseren Augen ein Charakter wie Jack the Ripper, extrem schlau, extrem krank. Jack the Ripper ist nie erwischt worden. Aber er hat irgendwann aufgehört.
    Ich selber habe von Weihnachten gar nichts mehr gehabt. Ich musste immer zu meinen alten Eltern, die hatten Angst vorm Weihnachtsmörder, und dann habe ich halt mit meiner geladenen Dienstwaffe unterm Jackett bei denen gesessen und chinesisches Fondue gegessen. Mein Vater hat vom Krieg erzählt, meine Mutter von ihrem Bibelkreis. Wissen Sie, ich kann mir tausendmal »Ihr Kinderlein kommet« anhören, das macht mir nichts aus, aber diese immer gleichen Storys von meinem Vater und meiner Mutter machen mich fertig. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen, ich habe die gern und alles. Nur ruhiger müssten sie sein.
    Früher bin ich an Heiligabend spätabends ins Gläserne Eck, da hab ich mit den alten Freunden von früher zwei, drei Bierchen getrunken, aber jetzt klingelte meistens um einundzwanzig oder zweiundzwanzig Uhr das Telefon, und ich musste zum Tatort. Sofern der Tatort nicht zu weit entfernt war. Meine Eltern wohnen in Boppard am Rhein, und ich habe immer darum gebetet, dass der Täter nicht in unserer Gegend zuschlägt, sondern in Schleswig-Holstein oder in Brandenburg, Hauptsache, weit weg. Da hatte ich bis zum nächsten Morgen Ruhe und musste nicht den Heiligen Abend beschließen, indem ich mit der Pinzette Knochensplitter in einem Plastiktütchen sammelte oder einer an Weihnachtsgebäck erstickten älteren Dame die zerbröselten Zimtsterne aus der Luftröhre pulte.
    Meine Eltern wollten nie, dass ich gehe, obwohl ich ihnen hundertmal gesagt habe, dass der Mörder immer nur einmal zuschlägt. Das kapierten sie einfach nicht. Angst ist meistens irrational. So bin ich auf die Idee gekommen, Beate einzuladen, eine alleinstehende Kollegin. Meinen Eltern habe ich erzählt, dass Beate eine ganz ausgeschlafene Personenschützerin ist, und wenn ich rausmusste, habe ich Beate meine Dienstwaffe überreicht. Wenn einer meiner Mutti oder dem Vati was tun will, dann bitte Feuer frei, Beate.
    In Wirklichkeit hat Beate sich in der Sonderkommission um den Papierkram gekümmert. Was soll ich sagen, nach dem zweiten gemeinsamen Fest waren wir ein Paar. Eine tolle Frau. Das mit Beate verdanke ich dem Weihnachtsmörder. Schon verrückt, das Leben.
    Ist unsere Zeit um? Schade. Ich wollte doch die ganze Geschichte erzählen. Dann eben nächstes Mal. Sie haben noch andere Patienten, das verstehe ich. Sind außer mir noch andere aus der Sonderkommission bei Ihnen? Das dürfen Sie nicht sagen, schon klar. Fest steht, dass wir alle im Lauf der Zeit mental was abgekriegt haben, so ein Job als Weihnachtsmörderjäger ist halt was völlig anderes als Christbaumverkäufer oder Krippenschnitzer. Das geht im Gehirn voll auf die Bremsbeläge. Ich hätte Ihnen gerne noch erzählt, wie Buschmann durchgedreht ist und wie sie ihn abgelöst haben. Zu Unrecht, wie ich finde. Danach kam die Grünbaum, hatte ich das schon erwähnt? Und die Grünbaum hat den Fall dann gelöst, was ehrlich gesagt, ohne die Vorarbeit von Buschmann nicht möglich gewesen wäre. Überhaupt, was heißt schon gelöst? Wir haben den Täter, ja, aber der Fall ist immer noch ungeklärt. So was treibt dich als Kriminalisten in den Wahnsinn, wenn du den Täter hast, und es nützt nichts. Deshalb bin ich wahrscheinlich in dieser Klinik gelandet.

Interview mit einem Weihnachtsmann
    Weihnachten hat mich gerettet. Ja, das kann man wirklich so ausdrücken. Ich war damals ungefähr ein Jahr arbeitslos. Danach ist Schluss mit dem Arbeitslosengeld, das wissen Sie sicher. Ich bin Architekt, mit Architekten kann man zurzeit in
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