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Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Titel: Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)
Autoren: Harald Martenstein
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riesigen Sektkelch, ich mache das auch. Dabei habe ich immer noch meine Mütze auf, zwischen den Beinen trage ich nur noch den weißen Bart, mit der Bartspitze winke ich ins Publikum, und dazu hört man das Lied »Kling, Glöckchen, klingelingeling«. Ein bisschen frivol darf es ruhig sein, aber ich passe schon auf, dass es nicht zotig oder ordinär wird. Scherze mit den Wörtern »Rute« und »Sack« verbiete ich mir zum Beispiel, das geht unter die Gürtellinie, so was überlasse ich Mario Barth. Ich hatte mal den Satz »Ich komme durch den Schornstein« im Programm, das habe ich wieder gestrichen.
    Am Ende ziehe ich zur Melodie von »O Tannenbaum« den weißen Bart langsam weg, parallel dazu setzt eine Nebelmaschine ein, die gleichzeitig einen Wirbel von künstlichen Schneeflocken produziert. Man sieht also fast gar nichts. Das ist das Künstlerische an meinem Beruf, es ist ein Spiel mit Erwartungen. So etwas passt gut zu Weihnachten, weil man da ja auch Erwartungen hat, die nicht immer eingelöst werden, Harmonie, Frieden, all diese Sachen. Weihnachten ist ein Ritual. Striptease oder, wie man heute gern sagt, Burlesque ist ebenfalls ein Ritual – Sie sehen, ich könnte stundenlang reden über meinen Job. Muss ich ja auch. Als sich der Erfolg meines Konzeptes abgezeichnet hat, bin ich oft in Talkshows gewesen, sogar in politischen. Bei »Hart aber fair« bin ich zum Thema »Weihnachten – zählt nur noch der Kommerz?« eingeladen worden, neben Olaf Henkel, Jutta Ditfurth und Kardinal Lehmann, da war ich schon ein bisschen stolz.
    Am Anfang habe ich sechshundert Euro pro Auftritt genommen, das war der Einführungspreis. Inzwischen liege ich bei tausendfünfhundert, bei noch mehr Fernsehpräsenz wäre leicht das Dreifache drin. Wenn ich Ihnen sage, dass ich pro Saison etwa fünfundzwanzig bis dreißig Shows hinlege, oft zwei oder sogar drei am Tag, können Sie sich ausrechnen, dass es zum Leben reicht, zumindest in bescheidenem Umfang. Und ich habe den größten Teil des Jahres frei, obwohl ich inzwischen auch mal außerhalb der Saison strippe, um in Übung zu bleiben. Ansonsten muss ich nur auf meinen Körper achten. Ab Juni wird immer hart gefastet. Ich habe über eine Ostershow nachgedacht, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht daran, dass die Leute einen strippenden Osterhasen sehen möchten.
    Sicher, ich bekomme manchmal Angebote. Und warum soll ich es nicht zugeben – manchmal nehme ich die Angebote auch an. Ich bin Single, mit hin und wieder einer lockeren Beziehung mehr so am Rande. Und ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut, kein heiliger Nikolaus. Sex ist für mich etwas Natürliches, wie Essen und Trinken. Ohne Sexualität würde es die Menschen doch gar nicht geben, insofern wird der liebe Gott schon nichts dagegen haben. Wie man das dann im Einzelnen ausgestaltet, muss jeder selbst wissen. Aber eines steht für mich fest, ich nehme kein Geld. Das ist mein heiliges Prinzip, obwohl ich nicht im Geld schwimme und öfter mal eine ältere Vorstandsdame mit ihren Scheinen winkt. Ein bisschen Gefühl muss schon dabei sein, zumindest Sympathie. Ganz offen und brutal gesagt: Wenn es mal so weit ist, dass reiche Frauen für Geld den Weihnachtsmann haben können, dann ist es mit dem Geist des Weihnachtsfestes wirklich vorbei. Dann könnte ich wirklich keinem Kind mehr in die Augen schauen.

Joe
    Es war einer dieser Tage, von denen sie im Winter oft träumte, ein Tag, an dem der Sommer endlich keine Ahnung mehr war, keine Hoffnung und kein Versprechen. Der Sommer war da, früher als üblich. Und er roch, wie ein Kreuzberger Sommer riechen muss, nach Wasser, nach Schweiß, nach gegrilltem Fleisch und nach Hundepisse.
    Billy saß am Landwehrkanal, bis die Sonne unterging, dann lief sie Richtung Admiralbrücke und holte ihr Handy aus der Umhängetasche. Ben ging gleich dran. Er hatte auf den Anruf gewartet.
    »Hey, ich bin’s«, sagte Billy.
    »Na endlich«, sagte Ben. »Hab mir Sorgen gemacht. Wie war’s denn bei Doktor Winter?«
    »Bingo«, sagte Billy.
    Kurze Stille. Dann wieder Ben: »Ist ja super. Ey, du, ich freu mich total.«
    Billy hatte sich lange gegen die Erkenntnis gewehrt, dass in Bens Kopf nicht gerade ein Kronleuchter brannte. Da brannte höchstens eine Zwanzig-Watt-Birne. Inzwischen war ihr das egal. Ben war lieb, ja, genau, lieb. Und Ben verkörperte den unwahrscheinlichsten aller unwahrscheinlichen Fälle, one of a million , Sechser mit Zusatzzahl, Wunder, ein extrem gut aussehender Typ von
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