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Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi

Titel: Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi
Autoren: Prolibris Verlag Rolf Wagner
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einer Luftbestattung. Der ganze Tote geht nach und nach an die Vögel, verschwindet von der Erde. Deshalb wollten die dich nicht ins Dorf lassen. Ihre Arbeit erfolgt ohne Zeugen, die Gesellschaft meidet den Kontakt mit ihnen.« Sie hielt kurz inne. Bald würden sie hineingehen müssen, die Kälte war unangenehm geworden. »Kannst du mir erklären, warum du Wiesbeil zerteilen musstest?«
    Moni sprang auf, griff die mitgebrachten Gläser samt Flasche und machte einen Schritt auf das Haus zu. »Das wird mir jetzt zu dumm. Das ist doch alles zusammengereimt. Da gibt es nix zum Erzählen. Du meinst, weil ich vor Jahren mal abgehauen bin von zu Hause und einen Film über Tibet bei mir in der Kammer habe, bin ich die Mörderin? Lächerlich.«
    Schnell erhob Elke sich, stopfte die Papiere in die Plastiktüte und räumte ihre Sachen aufs Tablett. »Warte, ich komm mit«, rief sie und folgte Moni, die zum Haus hastete. An der Tür dann stand sie unmittelbar hinter ihr. »Ich bin mir nicht sicher, ob du wen getötet hast«, sagte sie leise, denn im Flur hinter der sich öffnenden Haustür war der abendliche Gastbetrieb einer übervollen Alpenhütte im Gang. »Aber du hast ein Motiv. Und mit dem, was ich noch in der Tasche habe, wird der Fall bestimmt seinen Abschluss finden.«
    Die Verdächtige nickte, ohne sie anzusehen, und bahnte sich ihren Weg durch die Gäste. Elke folgte ihr und stellte das Tablett ab. »Erklär mir doch mal, warum man die Toten da oben im Tibe tischen überhaupt zerteilen muss. Vielleicht bringst du mich damit auf neue Ideen.« Moni sah kurz in den Küchenraum. Latifa und die Wirtin räumten auf, Johannes war noch mit Getränke­bestellungen beschäftigt. Als er sie ansah, zogen sich seine Augenbrauen zusammen. Sein Blick wirkte besorgt.
    »Ich komm gleich zu euch«, rief sie und machte sich so noch einen Moment von der Arbeit frei. Sie ging, ohne Elke anzusehen, in die Stube. Die Polizistin folgte ihr. Beide setzten sich an einen der hinteren Tische im alten Stubentrakt aus dunklem Holz. Bei dem trüben Licht waren die Frauen von Weitem kaum zu erkennen.
    »Für die buddhistischen Tibeter ist es wichtig, die Seele zu befreien und den Kreislauf der Natur zu schließen. Deshalb wird der Leib an die Geier verfüttert. Das sind heilige Tiere. Der Tod ist nur eine Umwandlung zur nächsten spirituellen Entwicklungsphase hin. Außerdem ist da oben Holz zum Verbrennen selten und um grabbare Böden mit richtiger Erde sind kostbar.« Moni hatte ruhig, mit einer gleichbleibenden Stimme gesprochen. Dann schwieg sie einen Moment. »Kann denn nicht jemand versucht haben, die Leichenteile einfach verschwinden zu lassen? Ohne tieferen Hin­tergrund?«
    Elke wiegte den Kopf. Am Nachbartisch erhoben sich die Gäste, um auf ihr Lager zu gehen. Jetzt würde der Waschraum noch mal voll werden, dachte sie und verspürte keine Eile.
    »Es wird wer gewesen sein, der sich auskannte mit all den Karst ­höhlen hier oben und der die Zeit hatte, die Körperstücke zu verteilen. Ein vorbeikommender Wanderer kommt nicht in Betracht. Nein, nein, ich bleib bei meiner Idee. Hast du nur zugesehen bei diesem Zerschneiden oder auch mitgemacht, im Himalaja, meine ich?«
    »Die Arbeit der Ragyapas ist in ihren Augen sehr ehrenvoll. Der ganze Clan ist daran gefesselt, sie werden nie etwas anderes machen können. Wollen sie aber sowieso nicht, dazu sind sie zu stolz. Und Fremde dulden sie nicht, geschweige denn, dass sie die an die Verstorbenen lassen. Das wäre Verrat an den Toten und der Clanwürde.«
    Elke hatte, den Kopf in die Hände gestützt, zugehört, griff nun in ihre Jackentasche und zog den kleinen Türkis hervor. Nachdenklich betrachtete sie den Stein und wies auf Monis Ohrring. »Hast du nur diesen einen?«, wollte sie wissen.
    »Ja, ein Einzelstück. Nicht ungewöhnlich, dass die Frauen so was nur an einer Seite tragen. Was gibt es eigentlich noch in deiner Tüte, um den Fall, wie du sagtest, abzuschließen?«
    »Später. Keine Angst, du bekommst alles zu sehen.« Elke spitzte den Mund und lächelte. »Ich frag mich gerade, wie viel Kraft man braucht, um den Brustkorb eines übergewichtigen Mannes mit einem Geweih zu durchbohren. Kräftige Hände hast du ja, aber reichte das aus? Na ja, weißt du was? Ich mach mich bettfein. Wir kommen heute sowieso nicht weiter. Ich danke dir für den Schnaps.« Elke stand auf und klopfte auf die Tischplatte. Im Hin ausgehen räkelte sie sich leicht und ging, ohne sich noch mal umzusehen, an
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