Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi

Titel: Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi
Autoren: Prolibris Verlag Rolf Wagner
Vom Netzwerk:
Kopf passt gar nicht zu der Stimme, dachte Elke und sah ihm hinterher. So sanft und tief. Über dem Plätschern des Wassers lag nur das taktsichere Klicken seiner Wanderstöcke. Als der Wald sich zu einem Talkessel aus hohen, steilen Felswänden hin öffnete, sah sie nur noch seinen Rucksack als grellen Punkt in der Ferne.
    Dieser Mann kam Elke seltsam vor. Allerdings hatte sie kein Ziehen im Bauch. Dieses ganz persönliche Gefahrenradar sprang bei ihr eher im Dienst an. Privat aber fehlte dieses Gefühl für brenzlige Situationen, da war sie leutseliger. Vernahm sie im Büro Beschuldigte einer Straftat oder nahm sie sogar, was selten vorkam, fest, reagierte sie auf die fühlbare Ausstrahlung ihres Gegenüber. Sie versuchte, nicht in diese Aura einzudringen, was bei ihr zu ziemlich genau einer Armlänge Distanz führte. So war sie sicher, auf einen plötzlichen Schlag, ein abruptes Sich-Wehren reagieren zu können. Privat war sie immer wieder überrascht, wie nah sie selbst Wildfremde an sich rankommen ließ. Kollegen von ihr waren da wa cher und von einem immerwährenden Misstrauen begleitet. Dass Elke den Mann vor ihr nur kurios fand, verunsicherte sie.

    Ein Blick auf die Wanderkarte ließ sie aufstöhnen. Bis jetzt war nicht mal die Hälfte der Wegstrecke geschafft. Bald würde die sogenannte Saugasse kommen, eine steile Serpentine, die sich zwi schen der Wand des Simetsberges und dem Hang des Gjaidkopfes nach oben schraubte. Mit einem Halstuch wischte sie sich das Gesicht ab. Sie musste weiter hinauf. Na ja, kein Wunder, dachte sie. Schließlich will ich tausend Meter über den Königssee steigen, und einen Sessellift gibt’s da nicht. Eine Windböe ließ die Baumkronen rauschen. Elke sah sich um, ihr wurde wieder bewusst, wo sie war und vor allem, warum. Ist ganz gut so, ohne technische Hilfe, rief sie sich zur Ordnung. Wäre ja sonst nicht auszuhalten bei all den wankenden, fußlahmen Touristen, die diesen Weg natürlich mieden. Sie lächelte, atmete tief ein und ging weiter.
    Der Pfad führte bald durch hohe Büsche auf die Steilwand des Simetsberges zu. Ach Manfred, dachte Elke traurig, was wär das schön gewesen, mit dir hier hochzugehen. Aber du hast wohl deine Prioritäten neu gesetzt. Jetzt machst du halt vor dem Sonntagskaffee einen Spaziergang mit der Familie. Wehmut stieg in ihr auf, und ein Brennen in den Augen kündigte Tränen an. Sie schüttelte energisch den Kopf. Ich bin doch gerade hier, um ohne ihn etwas für mich zu tun, machte sie sich noch mal deutlich. Er hat mich wie eine Mülltonne stehen lassen, nachdem man was hineingeworfen hat.
    Diese Bergwelt kontaminiert mir keiner, auch nicht geistig.

    Inzwischen hatte sie ihre Halbliterflasche leer getrunken, Durst stellte sich ein. Der Weg führte sie zu Füßen der Wand an einen Überhang. Aus einer Plastikleitung plätscherte Bergwasser in einen Holztrog. Ein Materl stand daneben. Als Elke ihr Gepäck absetzte, fiel ihr Blick auf die Büsche neben ihr und einen dort liegenden Rucksack. Die Farbe hatte sie bei dem Wuschel vor ihr gesehen. Plötzlich knackte es im Gebüsch hinter ihr. Langsam kam der Bergwanderer auf sie zu und fummelte dabei mit den Fingern am Reißverschluss seiner Hose.
    »Ach, das ist ja schön«, sagte er leise und grinste. »Da muss ich ja nicht mehr allein gehen.« Elke blickte ernst auf seine Hände, die in die Hosentaschen glitten. »Hier kann man noch ein letztes Mal seinen Wasservorrat füllen, danach gibt’s erst wieder was auf der Hütte.« Er wies auf den Trog, drehte sich zu seinem Rucksack um und holte eine große Wasserflasche hervor, die er unter die Leitung hielt. »Du solltest das auch tun, es wird heute sehr warm und steil werden.«
    Elke nickte und setzte sich auf eine Holzbank. Sie war sich nicht sicher, was sie von dieser vertrauten Anrede halten sollte. Aber gut, dachte sie, mit dem Weg und dem Wasser hat er Recht. Und das Duzen ist im Berg wohl üblich. Muss man sich erst dran gewöhnen. Sie atmete tief ein.
    »Was ist denn dein Ziel«, fragte sie mit bewusst kräftiger Stimme.
    »Na, zum Funtensee will ich, ins Koglerhaus. Ein paar Tage ausspannen, von dort aus kleine Touren machen. Und du?«
    Elke biss sich auf die Lippen. »Das hab ich auch vor«, gab sie schließlich zu und bereute es im selben Augenblick. Über meine Pläne muss ich dem doch nichts sagen, schalt sie sich.
    »Ja, das freut mich aber.« Er strich über seinen Vollbart und reichte Elke die Hand. »Bin der Hubert.«
    Sie sah die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher