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Fremde Wasser

Fremde Wasser

Titel: Fremde Wasser
Autoren: Wolfgang Schorlau
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ganzes
     Leben laufe ich gegen diese Sorte Menschen Sturm. Es ist sinnlos.
    Er spürte, wie die Magensäure in ihm aufstieg. Gleich würde er kotzen. Er versuchte, den Brechreiz zu unterdrücken.
    Müde nahm er den Kugelschreiber und unterschrieb die Erklärung, ohne sie noch einmal zu lesen.

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    Videosequenz 7
    Stille herrschte in dem Konferenzzimmer. Alle Blicke waren nun auf Olga gerichtet. Sie nahm das Schriftstück in die Hand,
     las die ersten Sätze und legte es dann wieder auf den Tisch.
    »Hat das Bundeskriminalamt Ihnen auch dieses Video gezeigt?«, fragte sie.
    Sie drückte eine Taste, und plötzlich erschien das Bild des Killers erneut auf dem Bildschirm.
    » Im Grunde kann ich die letzte Sequenz auch jetzt sprechen. Ich habe die Bundestagsabgeordnete Andrea Schöllkopf getötet. Vergiftet
     mit einer neuen Substanz, gewonnen in einem komplizierten Verfahren aus der Meerzwiebel. Den direkten Befehl bekam ich vom
     Verband, von Wilfried Schumacher, der die Tarnf rma Business Consult in der Friedrichstraße in Berlin leitet. Der wiederum
     erhielt den Mordauftrag von Dr. Stefan Crommschröder vom VED-Energiekonzern in Berlin. Crommschröder rief mich auch direkt
     auf meinem Handy an, unmittelbar vor dem Tod des Abgeordneten Schöllkopf. Die Nummer muss er sich von Schumacher geholt haben.«
    Dengler starrte fasziniert auf den Bildschirm. Der tote Killer belastete Crommschröder. Jeder Haftrichter würde ihn aufgrund
     dieses Videos sofort unter Mordverdacht einbuchten. Warum hatte Olga ihm diese Sequenz nicht vorgespielt? Er sah zu Kieslow,
     der konzentriert den Bildschirm beobachtete. Crommschröder sah leichenblass aus. Grossert blickte mit offenem Mund auf den
     Rechner und sah aus, als verstände er die Welt nicht mehr.
    Kurzum: Ich habe den Tod von Angelika Schöllkopf im Auftrag von Dr. Crommschröder von der VED als Auftragsmord durchgeführt.
     Er drohte mir, mich bei der Polizei melden. Vielleicht ging es ihm nicht schnell genug. Ich weiß es nicht. Ich werde diese
     Sequenzen zu meiner persönlichen Sicherheit verschlüsselt ins Netz stellen. Falls mir etwas zustoßen sollte, werden diese Videodateien
     öffentlich zugänglich sein.
    Das Bild des Killers verschwand.
    »Das war's«, sagte Olga fröhlich, »jetzt haben wir alle den gleichen Informationsstand.« Dengler sah, dass ihre Finger dabei
     leicht zitterten.
    Sie griff zu der Unterlassungserklärung, die Dengler unterschrieben hatte, und zerriss sie.
    »Ich habe auch eine Erklärung vorbereitet«, fuhr sie im gleichen munteren Tonfall fort. »Sie betrifft den Paragraphen 103.
     Und die Aktivitäten Ihres Unternehmens im Wassergeschäft.«
    Kieslow fasste sich als Erster.
    »Das ist sicher ein interessantes Video«, sagte er, »aber Sie werden verstehen, dass wir es erst prüfen müssen, wir werden
     es unserer EDV-Fachabteilung ...«
    »Sie haben leider auch nicht mehr Zeit zur Verfügung, als Sie uns zugestanden haben. Zwei Minuten. Dann funke ich die Videos
     samt einer Erklärung an die Deutsche Presseagentur und einige ausländische Nachrichtenagenturen.«
    Sie pokert zu hoch, durchfuhr es Dengler. Ihm wurde plötzlich alles klar. Der Informatiker mit dem Pferdeschwanz. Olgas Aktivitäten
     in den letzten Tagen. Sie hatte dieses letzte Video gefälscht. Wie sie es gemacht hatte, wusste er nicht, aber es war manipuliert.
     Kieslow würde nie darauf eingehen.
    »Glauben Sie nicht, dass Sie da unsere Möglichkeiten überschätzen? Wesentlich überschätzen?«, fragte Kieslow.
    »Nein«, sagte Dengler.
    Dengler bemerkte, wie Kieslow zu Grossert hinübersah und wie dieser kaum merklich mit den Augen ein »Ja« signalisierte.
    »Und außerdem haben wir da noch einige andere kleine Wünsche«, sagte Olga munter.

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    Epilog
    Der Sitzungstag des Parlaments war weder den Zeitungen noch dem Fernsehen eine Erwähnung wert. Das Plenum war nahezu leer.
     Routine. Die Abgeordneten beschlossen, was vorher in den Ausschüssen oder anderswo vereinbart worden war.
    * * *
    Dengler konnte sich immer noch nicht entschließen, in seine Wohnung zurückzugehen. Zweimal hatte eine Reinigungsfirma die
     Böden geschrubbt, er hatte die Wände neu streichen lassen, den Teppich ausgewechselt. Doch nun saß er bei Olga auf dem Sofa
     und starrte aus dem Fenster.
    Das Wetter war nicht besser geworden. Doch die Natur schien beschlossen zu haben, nicht länger auf die Sonne zu warten. Überall
     grünte es. Die Vögel sangen.
    Es war Frühling
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