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Fremde Gäste

Fremde Gäste

Titel: Fremde Gäste
Autoren: Mary Scott
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als ob sie sagen wollte: »Von dir wohl, aber nicht von den fremden Leuten!«
    Zum Schluß versetzte er ihr einen Klaps. »Jetzt fort mir dir! Und in Zukunft bitte keine Dummheiten!« Als ob nichts gewesen wäre, schloß er sich uns wieder an und meinte nur: »Sie ist schlecht behandelt worden, aber das kann man in Ordnung bringen.«
    »Sie vielleicht wohl, aber ich nicht«, sagte Letty niedergeschlagen, »obwohl ich schon viele von dieser Art gezähmt habe. David, könnten Sie nicht für eine Zeit zu mir kommen — gegen Entgelt natürlich — und dieses Tier vollends zur Ruhe bringen und mir bei den anderen helfen? Dieses Mädchen aus der Nachbarschaft ist nur eine geringe Hilfe. Sie wäre froh, wenn sie nicht mehr zu kommen brauchte, denn bei ihr zu Hause sind so viele Kühe zu melken. Es wäre mir arg, wenn die kleine Stute nach mir beißen und schlagen würde. Sie könnten sie bestimmt richtig behandeln. Hat man Ihnen schon einmal gesagt, daß Sie eine magische Gewalt über Pferde haben?«
    David lachte. Das sei seine einzige Empfehlung für einen Beruf. Wenn Letty der Meinung sei, daß das genüge, könnten sie’s ja eine Zeitlang miteinander versuchen.
    »Ich habe noch einen anderen Fall«, sagte Letty, »eine Kostgängerin. Es ist eine brave kleine Stute, die ich vor Jahren gekauft habe. Sie hat mir mehrere gute Fohlen gebracht und bekommt jetzt das Gnadenbrot.« Sie führte uns zu einem überdachten Gehege, wo eine alte Stute zufrieden graste. Ein größerer Kontrast als zu dem Tier, das wir soeben verlassen hatten, war kaum denkbar. Der Pensionistin konnte man ihr Alter ansehen. Letty meinte, sie sei mindestens achtzehn Jahre alt. Der edle kleine Kopf war noch immer schön, aber der Körper war der eines alten Pferdes, das seine Pflicht getan und sich nun von der Welt zurückgezogen hat. Sie war dunkelbraun, aber Nase und Kopf waren mit ehrwürdigen weißen Haaren gesprenkelt. Die einst schönen Augen waren ein wenig eingesunken, zeugten jedoch noch immer von Klugheit. Sie gefiel mir sehr; David aber blieb plötzlich stehen und sagte mit seltsam gepreßter Stimme: »Tinker... mein Gott, das ist ja Tinker!« Schnell ging er auf das Tier zu. »Tinker!« rief er. »Tinker!« und ließ den besonderen Pfiff hören. Das alte Pony warf sofort den feinen Kopf hoch; es schien zu lauschen, drehte sich um und sah David an. Noch erstaunlicher war, daß in Davids Augen etwas glitzerte, was man bei einem anderen für eine Träne gehalten hätte. Immer wieder rief er: »Tinker, altes Mädchen, wo warst du denn immer? Mein Gott, daß ich dich wiederfinde!«
    Es war bestimmt das merkwürdigste Erlebnis des ganzen Tages, und Davids sachlicher Kommentar war eigentlich überflüssig: »Das ist mein altes Pony, Miß Norwood. Meine Eltern hatten es verkauft. Es kennt mich noch immer, und ich freue mich blödsinnig, daß ich es wiedersehe.«
    Letty ließ sich nichts anmerken. Sie sagte nur: »Ich habe die Stute vor Jahren bei einer Auktion gekauft. Sie lahmte, war also als Reittier nicht zu gebrauchen; deshalb ging sie billig weg. Sie brachte einige gute Fohlen und darf nun hier den Rest ihres Lebens verbringen. Sie ist immer noch hübsch und freundlich, nicht wahr?«
    David murmelte nur etwas, aber zum erstenmal, seit ich ihn im Regen hatte stehen sehen, war er im Innersten bewegt. Seine Mutter hatte zu Recht gesagt, sie hätten damals einen großen Fehler gemacht, als sie das Pony verkauften. Sie wußten da noch nichts von der Bindung, die er zu allen Pferden, besonders aber zu diesem hatte.
    Nun hatte er seinen Liebling wiedergefunden und würde ohne Zweifel alles tun, um so bald wie möglich auf Lettys Farm zu kommen.
    »Ich bin sehr froh um eine Hilfe, nicht nur bei dem kleinen Biest, sondern auch bei den anderen, da die Fohlzeit so nahe bevorsteht«, meinte Letty bei Tisch. Daß das Wiedersehen mit Tinker die Angelegenheit vollends zum Abschluß brachte, erwähnte sie nicht.
    Endlich einmal zeigte sich David von der liebenswürdigen Seite. »Ich komme sehr gern zu Ihnen. Die Arbeit wird mir Spaß machen. Ich wollte schon immer gern mit Pferden zu tun haben, aber ich sah keine Möglichkeit dazu. Von Rennställen halte ich nichts, und ich möchte auch keine Vollblüter züchten, die bei Rennen eingesetzt werden. Das hier aber ist etwas anderes. Ich komme gern, wenn ich mich bei Ihnen nützlich machen kann.«
    »Das ist keine Frage. Meine Angestellte wird froh sein, wenn sie aufhören kann. Sie ist zwar nett mit den Pferden,
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