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Fremde Gäste

Fremde Gäste

Titel: Fremde Gäste
Autoren: Mary Scott
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Person so gut aussprechen können. Ich wollte, ich könnte Ihnen auch meinerseits mal etwas zuliebe tun. Sie haben aber leider keine Gäule, die ich zähmen könnte, und zu etwas anderem habe ich nicht viel Geschick.«
    Das war meine Chance! »Sie könnten mir wohl einen Gefallen tun«, sagte ich. Und ich erzählte, daß ich gern eine alte Freundin besuchen wolle. Für einen einzigen Tag sei es eine weite Fahrt, und Paul lasse mich nicht gern allein fahren. Larry sei mit ihren Lämmern voll beschäftigt und Tony mit ihrem neuen Haus — das stimmte alles. Es wäre nett, wenn er mitkäme und mich am Steuer ablösen könnte. Womit Letty sich befaßte, verschwieg ich ihm.
    David schien mit Vergnügen etwas für mich tun zu wollen. Er fragte nicht lange nach dieser Freundin. Er hielt sie vermutlich für eine weitere Mutter mit sechs Kindern. Als er dann feststellte, daß sie statt Kinder Ponys besaß, war er geradezu begeistert, so wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Letty und er verstanden einander sofort. Mit ihren sechsunddreißig Jahren hat sie eine höchst moderne Einstellung. Weder Davids Erscheinung, seine seltsame Kleidung, noch seine unverbindliche Art konnten sie verblüffen. Sie wußte, daß sie meinen Plan nicht verraten sollte, und behandelte ihn wie einen jungen Chauffeur, der Nachsicht mit der älteren Generation übt.
    »Wenn es euch nicht zu fad ist, könnt ihr euch den Hof ansehen«, forderte sie uns nach dem Lunch auf. »Ihr bleibt doch über Nacht hier, wie ich vorgeschlagen habe? Da habt ihr auch genügend Zeit. Was sind freilich so ein paar Tagwerk Land für euch Schafzüchter? Aber ich möchte doch, daß ihr euch die Ponys anschaut. Oder findet David das zu langweilig?«
    Wir versicherten das Gegenteil und machten uns auf den Weg zu der ersten Koppel. Dort befanden sich die trächtigen Stuten, die binnen kurzem ihre Fohlen zur Welt bringen würden. Dann bewunderten wir den schönen lebhaften Hengst und schließlich das Gehege mit den kleinen Fohlen, die abgerichtet werden mußten. Es gab noch eine weitere Koppel mit den Jährlingen. Man konnte sich vorstellen, wieviel Arbeit es für Letty gab, trotz der täglichen Hilfe durch ein junges Mädchen aus der Nachbarschaft. Wir besuchten einen Einzelgänger, eine Stute, die Letty in der irrtümlichen Meinung gekauft hatte, daß man noch etwas aus ihr machen könnte. »Ist sie nicht bildschön? Aber ich kann nicht an sie herankommen. Sie hat am Kopf eine Verletzung, das ist deutlich zu erkennen. Und nun ist sie völlig verstört, das arme Vieh. Paßt mal auf!«
    Das Pony näherte sich und umkreiste uns mißtrauisch und vorsichtig. Letty sprach ihm begütigend zu und hielt ihm ein Stück Brot aus ihrem Korb hin. Das Tier kam nicht näher, sondern warf trotzig den Kopf auf und stürmte die Koppel hinab. Dann blieb es stehen, machte kehrt und trabte wieder auf uns zu. Da ließ David seinen eigenartigen Pfiff ertönen. Ruckartig stand die Stute still. Sie hob den Kopf und verharrte unsicher und zitternd. Dann senkte sie wieder den Kopf und trottete davon, jedoch langsamer als zuvor. Wieder pfiff David, und jetzt näherte sich das Pony mit aufgestellten Ohren. Letty und ich zogen uns vorsichtig zurück. Das Pony blieb stehen und kam dann langsam auf David zu. Ruhig und scheinbar unbeteiligt stand er da, sprach aber mit sanfter Stimme einige Worte zu dem Pony. Das Tier schien ihn zu verstehen. Er blieb bewegungslos, während es um ihn herumging. Dann kam es so nahe, daß er die Hand auf seine Flanke legen konnte. Von dort glitt seine Hand zum Nacken und strich dann wie selbstverständlich über den ganzen Rücken. Weder der Mensch noch das Tier zeigten die geringste Angst.
    »Das ist Zauberei«, raunte Letty mir zu. »Bei Gott, ich wollte, ich könnte das auch!«
    Nach wenigen Minuten rubbelte David die kleine Stute unbefangen; vorsichtig streichelte er über die Hinterbacken. Sie zeigte keinerlei Erregung und keine Neigung zum Ausschlagen. Als David dann über die samtweichen Nüstern strich, wandte das Pferd sich um und schnupperte an seiner Schulter. Einige Minuten standen sie so, dann sagte David: »Nun ist’s gut, mein Mädchen! Jetzt keine Dummheiten! Wir wollen diese netten Damen begrüßen.« Und mit einer Hand in ihrer Mähne führte er die Stute auf uns zu.
    Doch das war zuviel verlangt. Von uns wollte sie nichts wissen; Lettys Brot stieß sie zornig weg. Als aber David das Brot ergriff und es ihr anbot, nahm sie es gierig; sie schüttelte den Kopf,
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