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Fremde Gäste

Fremde Gäste

Titel: Fremde Gäste
Autoren: Mary Scott
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»Was ist denn? Habe ich was Dummes gesagt?«
    »Ja... nein... es ist nur... Ihre Stimme... Die hat mich überrascht.«
    »Das verstehe ich nicht. Es ist doch eine ganz normale Stimme, oder? Es ist wohl mein Bart. Aber heutzutage lassen ihn doch alle wachsen! Bisher hat sich noch niemand über meine Stimme oder meinen Bart gewundert.«
    »Darüber vielleicht nicht«, erwiderte ich schlagfertig. »Aber vielleicht hat Sie noch niemand nur von hinten gesehen. Diese Haare... Ich glaubte natürlich, Sie wären ein Mädchen.«
    Er lachte kurz auf. »Tut mir leid. Das muß wohl ein Schock gewesen sein. Auf dem Land ist man an lange Haare ja wohl nicht so gewöhnt wie in der Stadt.«
    Das klang ziemlich gönnerhaft, und ich sagte schroff: »Natürlich gibt es die bei uns auch, sogar in Te Rimu, aber nicht so lang und so blond!« Und dann mußten wir beide lachen.
    Er wurde wieder ernst und legte die Hand auf den Türgriff. »Möchten Sie, daß ich aussteige? Geht es gegen die Vorschrift, niemals einen männlichen Anhalter mitzunehmen? Müssen Sie es einem zornigen Eheherrn eingestehen? Nein! Fahren Sie nicht los! Ich will aussteigen und wieder winken.«
    Ich startete den Wagen mit einem Ruck. Sein Ton ärgerte mich, denn die Strafpredigt amüsierte ihn sichtlich. Vor ihm brauchte ich keine Angst zu haben. Es war nichts Furchterregendes an ihm. Er war ein gebildeter junger Mann, der mich, eine Landfrau, von oben herab anredete. Seltsam, seine Art und seine gebildete Ausdrucksweise beruhigten mich. Dabei werden Verbrechen von gebildeten Leuten genauso begangen wie von den ordinären. Sogar noch häufiger! Ich wagte jedoch nicht, meinem selbstbewußten Fahrgast meine Überlegungen zu eröffnen, und sagte nur: »Seien Sie nicht albern! Ich nehme Sie natürlich mit. Es wäre mir allerdings eine große Hilfe, wenn ich wüßte, wohin Sie wollen.«
    Ich verschwieg unseren einmütigen Beschluß, niemals einen fremden Mann mitzunehmen; aber der verflixte Bengel hatte das wohl erraten. Lachend meinte er: »Nett von Ihnen, daß Sie mich nicht rauswerfen und dem Gestrengen daheim die Stirn bieten wollen. Wo ich hin will? Das ist mir gleich. Ich habe mein Examen hinter mir und bin sozusagen frei. Ich dachte, ich könnte einen Job finden bei der Heuernte oder so und mir Geld verdienen für eine Reise. Glauben Sie, daß man in der Wildnis wohl so einen Studiker ohne praktische Erfahrung anstellen wird?«
    Wieder irritierte mich sein herablassender Ton, aber ich überging das und meinte: »Gerade jetzt gibt’s genug Arbeit auf dem Land, bei der Heuernte, in den Wollschuppen... In unserer Gegend fehlt es überall an Hilfskräften.«
    »Aber nicht an Geld, da die Wollpreise ja wieder steigen.«
    »Das stimmt, aber vergessen Sie nicht, daß die letzten Jahre mehr als schlecht waren. Die meisten von uns müssen sich noch immer davon erholen. Es gibt wohl im Umkreis ein paar Farmer, die gut dran sind. Zum Beispiel Peter und der Colonel. Ich glaube schon, daß Sie einen Job finden können. Das heißt, wenn Sie harte Arbeit nicht scheuen.«
    Ich fand, er hatte diesen kleinen Seitenhieb durchaus verdient, weil er mich so herablassend behandelte; jetzt war ich an der Reihe. Zu meiner Verwunderung nahm er das gelassen hin. Er lachte. »Sie haben mich natürlich für ein schwächliches, verregnetes Pflänzchen gehalten. Das war mein Glück! Sie hätten mich nicht mitgenommen, wenn Sie geahnt hätten, daß ich so ein fauler Anhalter bin, wie sie überall herumstehen und mitgenommen werden wollen.«
    Das deckte sich so genau mit dem, was wir vor kurzem zu Hause gesagt hatten, daß ich ganz verlegen wurde.
    Der Frechdachs sah mich scharf an und lachte wieder. »Ja, ja, so ist Ihre Einstellung! Übrigens, wie weit entfernt von der Stadt wohnen Sie — vorausgesetzt, Sie nennen Te Rimu eine Stadt?«
    »Allerdings! Wenn wir in Te Rimu Besorgungen machen müssen, sagen wir: Wir müssen in die Stadt. Wie weit? Ungefähr fünfzig Kilometer, aber die Zufahrtstraße ist sehr schlecht.«
    »Lieber Himmel! Fünfzig Kilometer bis zum nächsten Laden?«
    »Nein, so ist es nun auch wieder nicht. Unser Dorf heißt Tiri und liegt zwölf Kilometer in der anderen Richtung, mehr nach der Küste zu. Da gibt’s einen Laden und einen Supermarkt und eine Poststelle. Alles liegt in den Händen einer reizenden Frau, die wir Tantchen nennen.«
    »Mehr brauchen Sie mir von der nicht zu erzählen! Der Name genügt. Sie ist wacker und leutselig. Sie sagt >Meine Liebe< zu Ihnen,
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