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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn
Autoren: Unbekannter Autor
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Van der - was? Egal, eines schönen Tages hatte er die Idee, daß man die Fens trockenlegen und in fruchtbares Ackerland verwandeln könnte. Gut und schön, wenn man Bauer war, freute einen das vielleicht, dabei war es doch der stupideste Job der Welt. Aber bitte, manche Leute mochten ihn. Als dann fast ganz Lincolnshire urbar gemacht worden war, hatte jemand anderes - der National Trust? - die Idee, es wäre ganz nett, wenn wenigstens eins der Fens wieder so aussähe wie früher. Warum, war ihr schleierhaft. Also setzten sie die Gegend hier um das Besucherzentrum wieder unter Wasser. Überfluteten es oder so. Dorcas stand da, ließ die Schuhe noch immer in den Händen baumeln und dachte, mein Gott, all die Arbeit für nichts und wieder nichts. Idiotisch, das war ja noch größere Zeitverschwendung als die zehnte Klasse. Man kann das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen.
    Das war für Dorcas ein tiefsinniger Gedanke, sie freute sich, denn sie dachte eigentlich nicht gern. Sie wollte ihn sich merken und wiederholen, wenn sie beide miteinander redeten. Er würde angenehm überrascht sein, wenn er feststellte, daß er eine Frau heiratete, die gut kochen konnte, gut im Bett und eine tiefsinnige Denkerin war. Traumverloren summte sie in der kalten Februarluft vor sich hin und wünschte, sie hätte noch einen tiefsinnigen Gedanken. Vielleicht sollte sie David Copperfield noch mal lesen.
    Sie schlang die Arme um sich. Nun ärgerte sie sich, weil sie nicht den Mantel, sondern den dicken Pullover angezogen hatte, der hübscher war als das alte schwarze Ding. Sie zitterte, diesmal nicht vor Kälte. Aber sie würde nicht an die tote Frau denken. Nein, sie würde nicht an sie denken, ihren Namen nicht nennen, nicht einmal insgeheim, nur für sich. Sie würde sie verdrängen. Wenn die Frau namenlos blieb, verlor sie ihre Macht, einem Angst einzujagen und alles zu zerstören. Die Polizei würde das in die Hand nehmen oder auch nicht, je nachdem. Sie hatten mit allen im Haus gesprochen, mit ihr auch, bis es ihr zum Hals raushing.
    Unter dem Vordach des Besucherzentrums zog Dorcas die Schultern ein, kuschelte sich in den weiten Pullover und schaute in das dunkle Gewirr von Bäumen, hohem Gras und Kanälen. Das alte Fen. Besten Dank, sie sparte sich ihr Geld lieber für die Aussteuer oder ein gutes Kochbuch.
    Da hörte sie ein Geräusch hinter sich, ein Brett knarzte. Und dann schlangen sich die Arme um ihre Taille. Wie romantisch, war ihr erster Gedanke. Irgendwas stimmt hier nicht, ihr zweiter, und für einen dritten hatte sie keine Zeit mehr, denn sie spürte, wie ihr der Lebensatem ausgepreßt wurde. Nicht von zwei Händen, sondern von einem weichen, seidigen Tuch, das sich um ihre Kehle schloß. Ein paar Augenblicke lang versuchte sie mit aller Kraft, es wegzuziehen. Sie öffnete den Mund, um zu schreien. Aber es kam keine Stimme.
    Dorcas will nicht. Nein, Dorcas ...
2
    Chief Inspector Arthur Bannen von der Kriminalpolizei in Lincolnshire war Anfang Siebzig, sah aber fünfzehn Jahre jünger aus. Sein Alter war so rätselhaft wie alles übrige an ihm. Wenn es ihm mißfiel, daß Scotland Yard hier in Lincolnshire aufkreuzte, zeigte er es jedenfalls nicht. Er sprach so leise und ruhig, daß man sich fragte, ob ihn überhaupt etwas aufregen oder erschüttern konnte. Seine Worte waren immer von einem feinen Lächeln begleitet, das manchmal etwas schmerzlich wirkte, als täte es ihm weh, wenn sein Gesprächspartner nicht ganz seiner Meinung war. Im Moment war er damit beschäftigt, ein Blatt Papier wie ein Akkordeon zu falten, wie eine Landkarte.
    »Wir haben Sie nicht um Hilfe gebeten, Mr. Jury«, sagte er schließlich sehr freundlich und schnippelte dabei mit einer Schere an dem gefältelten Blatt herum. Seine Füße ruhten auf der Schreibtischkante, als sei er fürchterlich lethargisch. Ist aber vermutlich alles, nur nicht lethargisch, dachte Jury.
    »Ich weiß, daß Sie meine Hilfe nicht brauchen. Ich bitte Sie um Ihre.«
    Sie redeten über den Mord an einer Frau, die auf einem kleinen Landgut namens Fengate etwa sechzig Kilometer entfernt zu Gast gewesen war.
    Bannen zerschnitt das Papier mit großer Sorgfalt, und als er sich Jury wieder zuwandte, fand er den offenbar weniger interessant und konzentrierte sich erneut auf die Schnippelei. »Aha. Aber wie kann ich Ihnen helfen?« Begeistert klang er nicht.
    »Soweit ich weiß, spielt Lady Kennington in dem Ganzen nur eine - untergeordnete Rolle.«
    »Wenn Sie damit meinen, sie
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