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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn
Autoren: Unbekannter Autor
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Sie würden sich über ein paar Muffins freuen.« Jury hielt ihr die weiße Schachtel hin.
    »Von Betty Ball?« Sie lächelte.
    »Karottenmuffins. Ich hasse sie und habe drei gegessen.«
    »Oh, ich mag Karottenmuffins«, log sie. »Wollen Sie einen Tee?«
    »Nein, ich habe drei Tassen getrunken.«
    »Eine pro Muffin. Interessant.« Sie hatte Briefe und
    Rechnungen geöffnet und die Umschläge weggeworfen. »Was ist denn das?« Fragend schaute sie das Päckchen an. »Aus Italien. Venedig.« Sie hielt es sich dicht vor die Augen und runzelte die Stirn. »Die Briefmarken sehen aber - komisch aus. Als wenn sie gar nicht richtig abgestempelt wären.«
    »So?« Jury versuchte, gleichgültig zu klingen.
    Sie öffnete den Umschlag und nahm das schwarze Buch heraus. Das schwarze Buch. Sie blätterte es durch, wurde immer skeptischer, schüttelte dann den braunen Umschlag und lugte hinein. Nichts. »Was ist das?« Sie betrachtete den schwarzen Ledereinband, blätterte wieder die Seiten durch, schüttelte das Buch. Nichts.
    Jury wippte auf den Absätzen und beobachtete sie.
    Vivian war völlig perplex. »Es sieht aus wie ein Tagebuch, mit Daten und allem. Du liebe Güte, können Sie sich nicht mal hinsetzen?«
    Jury murmelte ein, zwei beruhigende Worte und ging zum Fenster.
    Vivian hielt das Buch auf Armeslänge über ihren Kopf, als könne das Licht des Kronleuchters seine trüben Tiefen durchdringen. »Hören Sie sich das an: >Nichts ist mir mein Tal -«<
    »>Tod<, nicht >Tal<.«
    Vivian hob die Brauen. »Oh?«
    Jury zuckte die Achseln. »Hm, >nichts ist mir mein Tal< ergibt keinen Sinn ...« Seine Stimme verlor sich. Er vermied, sie anzuschauen.
    Sie lächelte. »Da haben Sie wohl recht.« Sie drehte den Umschlag noch einmal um, schaute wieder auf die Briefmarken, den Stempel, auf Jury. »Fragen Sie sich nicht, was das ist? Sie sehen gar nicht neugierig aus.«
    »Neugierig? Natürlich bin ich neugierig. Aber ich werde doch meine Nase nicht in Ihre Angelegenheiten stecken.«
    »Werden Sie nicht?« Vivian schaute durchs Fenster. »Das wäre ja mal etwas ganz Neues«, flötete sie. »Was in Gottes Namen machen die beiden da - spielen sie Denkmal?«
    Wahrhaftig, dachte Jury, als er sich neben sie stellte: Plant und Trueblood standen da wie die Ölgötzen, den Blick aufs Haus gerichtet. Er seufzte.
    »Über die Jahre habe ich den deutlichen Eindruck gewonnen, daß keiner von Ihnen will, daß ich Franco heirate.«
    »Nein! Wie kommen Sie denn darauf?«
    Sie las einen Absatz, kicherte und gab ihm das Buch. »Memoiren, nehme ich an. Er hat ja in seinem Leben auch schon allerhand erlebt. Schauen Sie sie an, sie werfen Schneebälle.«
    Irritiert, daß sie diesen Unfug so gleichmütig schluckte, sagte er: »Fahren Sie nicht. Es ist einfach albern.«
    Mit undurchdringlichem Gesicht schaute sie ihn an. »Aber ich habe ein Haus gemietet, für ein paar Wochen. Am Canale Grande. Sehr schön.«
    »Was?« Er nahm sie wahrhaftig bei den Schultern und schüttelte sie.
    Sie bewahrte Haltung. Faltete die Hände auf dem Rücken und seufzte. »Hm, wahrscheinlich versuche ich mir nur vorzumachen, ich sei frei.«
    »Frei?«
    »Haben Sie nie das Gefühl gehabt . Sie steckten fest? Im Leben, in der Arbeit?«
    Ohne recht darüber nachzudenken, legte Jury ihr den Arm um die Schultern. »Ja - oh, ja.«
    »Das Problem ist, man fängt an, es zu genießen. Das Feststecken.« Sie warf einen Blick durch das behagliche Zimmer. »Dieselben Stühle, dieselben Gesichter. Die tägliche Routine, dieselben Freundschaften, dieselben Feindschaften. Es wird einem alles so vertraut. Und so sicher - zu sicher. Ich fühle mich begrenzt wie der kleine Teich da drüben. Ich fühle mich wie die Enten, die nur immer auf dem Wasser schwimmen. Doch es ist alles andere als unangenehm, vielleicht ist das das Problem. Locken sie«, sie deutete mit dem Kopf zum Anger, in Richtung ihrer beiden Freunde, »die Enten mit Brotkrumen ans Ufer, damit sie sie -?« Sie schüttelte den Kopf. »Idioten.«
    Aber Jury achtete nicht sonderlich auf die Idioten; er dachte darüber nach, was sie gesagt hatte. »Mir gefällt, wie Sie das ausgedrückt haben, Vivian. Dieselben Gesichter, Freundschaften und Feindschaften. Vielleicht kann man auch gar nicht mehr erwarten.« Er dachte an seine Bude in Islington und sein Büro in New Scotland Yard. Dann lachte er.
    »Was gibt’s zu lachen?«
    »Ach, ich lache über ein Lied, das mal sehr populär war. >Das ist alles?< fragt die Sängerin immer. Sie meint
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