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Fremde

Fremde

Titel: Fremde
Autoren: Gardner R. Dozois
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stank und sich vor kurzem noch im Dreck gesuhlt hatte. Die meiste Zeit ignorierten sie Farber einfach, und wenn sie sich dazu herabließen, mit ihm in Verbindung zu treten – die Wimpern vor Ekel zusammengerollt –, war es oft noch schlimmer: Er konnte ihre Spiele und Unterhaltungen nicht verstehen (deren Regeln alle paar Minuten nach einem System geändert wurden, das er nie begriff, von dem man aber erwartete, daß er es auf Anhieb verstand), die gelegentlichen Gespräche mit ihnen waren verwirrend, ihr »Humor« war unerträglich, und die allergewöhnlichsten technischen Einzelheiten des Schiffes erwiesen sich auf eine so erniedrigende Art und Weise jenseits seines Verständnisses, daß sein Wunsch nach Anerkennung seiner Intelligenz durch die Enye schon allein daran scheiterte. Wenn sie auf ihrer Reise entlang der Enye-Handelsrouten einen anderen Planeten besuchten, behandelten ihn die dortigen Intelligenzen in der Regel eher wie ein Haustier der Enye oder wie einen Teil ihres Gepäcks oder ignorierten ihn auf so teilnahmslose Weise, daß er annehmen mußte, er sei nicht einmal wichtig genug, um unhöflich zu ihm zu sein.
    Mehr als ein Jahr lang bekam Farber dies alles zu spüren, in einem Schiff, das sich subjektiv zunächst als gigantisch, doch nach zwei Monaten schon als viel zu klein erwies.
    Andere Autoren haben über Farbers geistige Verfassung am Abend des Alàntene spekuliert und versucht, die Vorurteile und Obsessionen ihrer Zeit hineinzuinterpretieren. So ist Farber in Nemerovs Der Barbar voller chauvinistischer Energie und Hartherzigkeit, während Innauratos Bis des Menschen Ruf uns weckt – zwei Jahrzehnte später geschrieben, als es unter der Intelligenz längst nicht mehr populär war, sich wegen unserer mangelnden kulturellen Sensibilität an die eigene Brust zu klopfen, und die Gegenreaktion eingesetzt hatte – ihn als das unschuldige Opfer finsterer außerirdischer Machenschaften darstellt. Die bizarrste Interpretation ist vielleicht die in Darcys Komische Fügungen, wo Farber als ein von der Weisheit des Absurden Erleuchteter charakterisiert wird, der die Leben anderer ohne Sinn und Zweck manipuliert, obwohl sich die Ereignisse auf »Lisle«, fünfzehn Jahre bevor sich der sinistere Kult des Noismus aus den Detroiter Slums ausbreitete, abspielten.
    Tatsache ist, daß Farbers Geistesverfassung einfach die damaligen Erfahrungen seiner Rasse widerspiegelte. Tausende junger Terraner erlebten zur gleichen Zeit auf einem Dutzend anderer Planeten einen ähnlichen Kulturschock; allerdings waren die Auswirkungen selten so drastisch und auf eine verdrehte Art so weitreichend. (Man denke nur an die so widersprüchlich beurteilte Gesellschaft für anderes Leben, die von Eileen Ross und Tamarane gegründet wurde und einen solchen Einfluß auf die Kultur der Cian hatte – und noch hat –, daß wegen ihr fast die terranische Mission geschlossen worden wäre.)
    Weit davon entfernt, der eitle Egoist zu sein, als den ihn Nemerov und Gershenfeld beschrieben haben, fühlte sich Farber elend, verstört und verängstigt, als er sich für die Landung auf Weinunnach bereit machte. Ein Jahr mit den Enye – und, was noch schlimmer war, mit anderen Wesen, die so fremdartig erschienen, daß es überhaupt keine Verständigung mit ihnen geben konnte, egal auf welcher Stufe – hatte ihm den Großteil seiner ursprünglichen Selbstsicherheit geraubt, ohne ihm zum Ausgleich dafür echtes Wissen oder eine gewisse Abgeklärtheit zu geben. Sein Stolz war dahingeschmolzen, aber es gab für ihn keinen Rückzug hinter einen Schutzwall aus Snobismus und kultivierter Kaltschnäuzigkeit, wie ihn sich viele seiner Zeitgenossen errichteten. Sein Lebensweg, der einmal so gerade und eindeutig vor ihm gelegen hatte, verlor sich jetzt in einem Morast aus Zweifeln und Verwirrung. Seine Karriere – einst der vitale Mittelpunkt seiner Existenz – schien ihm auf einmal unwichtig und bedeutungslos.
    Er sah nicht einmal aus der Luke, als das Zubringerboot sich auf Weinunnach herabsenkte.
    Vom Raumhafen in den niedrigen Hügeln westlich von Aei nahm er die Expreß-Bahn direkt in die terranische Enklave, und bis zum Alàntene hatte es nichts gegeben, was ihn wieder daraus hervorlockte – weder aus der Enklave noch aus seinem ausweglosen, seelischen Abgrund.
    Heute nacht beim Alàntene war er zum ersten Mal wieder aus seiner elenden Stimmung herausgerissen worden, und zum ersten Mal seit er die Erde verlassen hatte, fühlte er sich wieder
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