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Fremde

Fremde

Titel: Fremde
Autoren: Gardner R. Dozois
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erkennende Form brach aus dem Boden, wie von einer Kanone abgefeuert; diesmal hörte er das leinwandnasse Schlagen von Flügeln in der feuchten Flußluft. Fasane, dachte er lachend und erstaunt, aber noch immer zu erschrocken, um selbst richtig daran zu glauben, Fasane, die hier im hohen Gras versteckt schliefen und von seiner lärmenden Ankunft aufgeschreckt davonflogen. Er ging ein paar schwerfällige Schritte weiter, das Unterholz knackte und rasselte um ihn her. Eine ganze Gruppe von Fasanen, vier oder fünf diesmal, explodierte in den Nachthimmel, kaum eine Sekunde später, wie ein Schrotschuß, wie startende Raketen, wie Raumschiffe, die sich nach draußen in die Leere ihrem Schicksal entgegenwarfen. Er riß den Kopf hoch, um den Fasanen mit den Blicken zu folgen, verlor sie fast augenblicklich, doch statt dessen fingen die Millionen eisigen Augen der Sterne seinen Blick ein und hielten ihn fest. Als er so in der raschelnden Stille stand und zu den Sternen hinaufstarrte, traf ihn eine solche Sturzsee von Begierden, Sehnsüchten, Ängsten und schleichenden Schrecken, daß die Sterne zu rotieren schienen und zu aufgespießten Feuerrädern verwirbelten, die ihre Lichtsperre herniederwarfen, und er tanzte vor Wut und Lust und Begeisterung in dem nassen schwarzen Schlamm.
    Dann zurück durch die Nässe und die nach feuchtem Stroh riechende Dunkelheit, während der Alkohol ausbrannte und die Kleider ihm naß am Körper scheuerten, durch den schimmernden grauen Nebel, der in der Stadt aufstieg, die noch immer schlief – aber die Nacht gehörte ihm nun irgendwie nicht mehr allein.
    Und dann – zu schnell, zu brutal plötzlich, bevor er noch seinen Kater loswerden konnte – fand er sich selbst unter fremden Wesen wieder, mit denen er in eine vibrierende Stahlkiste eingeschlossen war, sah den blauen Schimmer der Erde im Ur-Raum versinken, in der schmutzigen Finsternis, die überall mit Pastellfarben betupft war und an nichts so sehr erinnerte wie das Innere seines eigenen Kopfes.
     
    Trotz allem nahmen die meisten Terraner ein gutes Maß Arroganz mit hinaus in den Raum. Aber während sie dann von Welt zu Welt reisten, weiter und weiter fort von der Erde, starb diese Arroganz langsam; bei jeder Landung schwand etwas davon dahin wie bei der Erdung einer starken elektrischen Spannung, und mit der Arroganz schwanden – so zäh und langlebig sie auch waren – die expansionistischen Träume von einem Imperium, sogar die bescheideneren Hoffnungen wirtschaftlicher Herrschaft erstarben, vergingen, wie sie zuvor schon allen anderen sternenfahrenden Rassen vergangen waren. Der Raum war zu groß. Alles erwies sich als zu komplex und zu fremdartig, die Entfernungen waren zu riesig, die Reisezeiten zu lang, mehr als ein Informationsaustausch ließ sich nicht praktizieren. Die Kommunikation war schon das höchste Ziel. Selbst die Handelsallianz war eine Organisation, wie man sie sich loser kaum vorstellen konnte; einige ihrer Mitglieder hatten schon seit Jahrhunderten keinen Kontakt mehr untereinander gehabt. Sich ein Einflußgebiet zu errichten – ja überhaupt einen kontinuierlichen Einfluß –, war angesichts der klaffenden Unendlichkeit etwas, das nur aus dem provinziellen Blickwinkel vom Grund einer Schwerkraftquelle aus möglich erscheinen konnte. Die Leere des Raumes schluckte alles; sie war für jedes körperliche Wesen zuviel.
    Zu dem Zeitpunkt, als das Schiff der Enye über Weinunnach materialisierte, war Farber nicht länger der forsche, ambitionierte Jüngling, der sich ein Jahr früher auf der Erde eingeschifft hatte. Die Enye ließen sich am besten als große graugrüne Felsbrocken mit wässrigen Austernaugen und einem Besatz von wimmelnden, fleischigen Wimpern schildern. Es waren ernste Wesen, die sich bei sozialen Anlässen in einen Mantel aus Speichel zu hüllen pflegten (zu den verschiedenen Anlässen gab es verschiedene Arten von Speichel, die verschiedene Gerüche ausströmten). Sie ›sprachen‹ (mit den Erdungen), indem sie die Luft durch ihren Schließmuskel in einer Reihe modulierter Blähungen und Rülpser ausstießen. Sie behandelten die Terraner mit kaum verhehlter Herablassung – manchmal sogar mit offenem Ekel – und bemühten sich, jeden direkten persönlichen Kontakt mit ihnen zu vermeiden, da sie sich offenbar dabei nicht anders vorkamen als ein Erdenmensch, von dem verlangt worden wäre, diplomatische Beziehungen zu seinem Hund aufzunehmen, besonders wenn der Hund Flöhe hatte, aus dem Rachen
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