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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman
Autoren: Steffi von Wolff
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Aussage hat zur Folge, dass Gero am Telefon fast einen Nervenzusammenbruch bekommt. Ich übernehme den Hörer und erkläre Pitbull die Sachlage. Unterdessen beschäftigt sich Richard mit dem Aquarium, füllt Wasser hinein und die anderen Fische, die bis dahin in Schnaps- und Weingläsern ihr Dasein fristen mussten.
     
    Eine Viertelstunde später klingelt Pitbull. Er schlägt Gero auf die Schulter, nennt ihn »mein guter Freund« und sagt dann: »Hier, schaut, was ich als Wiedergutmachung mitgebracht habe!« und hält eine Plastiktüte mit einem Fisch hoch, den er schnell noch vor Ladenschluss beim Tierreich Weber (ja, die mit den Mäusen) erstanden hat. Dann öffnet er die Tüte und lässt den Fisch zu den anderen ins Aquarium gleiten. Gero schreit: »Aaaah!« Zwei Sekunden später beginnt im Wasser ein Gemetzel und wiederum eine Sekunde später gibt es nur noch einen Fisch im Aquarium. Den, den Pitbull mitgebracht hat.
    Er hat es gut gemeint, als er den Piranha kaufte.
    Gero verfällt in ein Schweigen, das den ganzen Abend lang andauert. Er will nicht getröstet werden. Der Piranha rast im Aquarium herum und stößt permanent an die Scheiben. Ich vermute, dass er blind ist. Irgendwie tut er mir Leid und ich will ihm heimlich ein Choco-Crossie zu fressen geben, verliere dabei aber fast meine rechte Hand, weil er pfeilschnell aus dem Wasser springt, um sich die Schokolade zu schnappen. Also doch nicht blind.
    Jedenfalls macht Gero keine Versuche mehr, Pitbull tätlich anzugreifen.
    Mausi und Arabrab wollen Scrabble spielen, was gar nicht so einfach ist, denn sie behaupten steif und fest, Wörter wie »reiflos« (»o Mann, eh, äääääächt, das is ’ne Frau, wo keinen Armreif hat!« oder »hosig« (»geilcool, das is jemand, wo ein Rock anhat, wo aber aussieht, als ob es Hosen sind, menno«) würden tatsächlich existieren.
    Irgendwann legt Mausi das Wort »megakacke« und dann wird es mir wirklich zu blöd und ich frage, was das soll. Mausi stiert mich nur an und meint: »O Caro, das kennst du doch, das Wort, so fühlst du dich doch immer.«
    Ich möchte dann mit dem Scrabble-Spiel aufhören.
     
    Schlafe bei Gero, weil meine leere Wohnung mich deprimiert. Richard und Pitbull meinen, morgen würden wir den Rest rausräumen, der Sonntag sei ein guter Tag für so was.
    »Ab morgen wohnst du dann erst mal bei mir«, sagt Pitbull. Und wenn die Eröffnungsphase und der ganze Presserummel rum sind, werden wir dann alle gemeinsam nach einer neuen Wohnung schauen. Alle wollen mir helfen, das gibt mir ein Stück weit das Gefühl, eine Familie zu haben. Wo ich doch sonst nichts habe. Außer Pech. Pech. Pech.
     
    Am Sonntag fahren wir dann nach dem Frühstück zu mir. Allzu viel ist nicht mehr in der Wohnung. Am traurigsten finde ich die Wände, es sieht so verwohnt aus, wenn die Bilder nicht mehr hängen und nur noch helle Flecken zu sehen sind. Frau Eichner kommt und hilft und hat selbst gebackenen Kuchen dabei. »Ach Frau Carolin«, sagt sie, »des wird mer sooo fehle, dass Sie gor net mehr hier wohne dun, da bossiert jo gor nix mehr im Haus. Un wo soll isch denn jetzt sauber mache?« Richard blickt auf. »Bei mir«, sagt er freudig. »Naaaa, naaa«, meint Frau Eichner. »Des is mer zu dunkel in dere Wohnung von Ihne, un ma stolpert dauernd über Werkzeusch.« Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Ich mache ihr den Vorschlag, in unserem Club zu putzen. Das macht sie gern, sagt sie. Na also.
    Richard hat sich im Übrigen jetzt verlobt, will uns seine Verlobte (oder seinen Verlobten? Wer weiß das schon?) allerdings erst am Cluberöffnungstag präsentieren. Es ist eine ganz große Liebe. Das freut mich für ihn. Nur die Hormone, die er nimmt, scheinen so gar nicht anzuschlagen, von einem Busen ist weit und breit nichts zu sehen.
     
    Am späten Nachmittag schließe ich dann zum letzten Mal die Wohnungstür hinter mir und bin am Boden zerstört. Pitbull nimmt mich in den Arm und meint, dass alles wieder gut werden wird. Ich solle nur dran glauben. »Du hast doch uns alle«, sagt er und hat Recht. »Und wir beide machen jetzt eine WG auf.«
    Als wir in die Schmidtstraße kommen, nachdem wir den Rest meiner Sachen, die ich nicht ganz dringend brauche, in den Keller der Erichstraße gekarrt haben, steht ein wunderschöner Blumenstrauß auf dem Tisch und ein gemaltes Schild: Willkommen daheim! Ich bin so gerührt, dass ich anfange zu heulen, was aber bei mir in den letzten Wochen ja nichts Besonderes mehr ist.
     
    Zur Feier des
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