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Freizeichen

Freizeichen

Titel: Freizeichen
Autoren: Ildikó von Kuerthy
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einem älteren Herrn, der sehr dic k is t un d ei n Jacket t trägt , da s s o übe r all e Maße n hässlic h ist, das s e s mic h sofor t a n meine n Therapeute n erinnert.
    Nu n mus s ma n mi r zugut e halten , das s ic h nich t besonders la n g e i n Therapi e war . Gena u genomme n wa r e s eine Paartherapie, und sie dauerte exakt eine Sitzung lang, also fünfundvierzi g Minuten.
    Ic h hatt e gerad e ei n Buc h au s de m Englische n übersetz t mit dem Titel «Neurotisch sind wir alle». Der Autor erklärte darin seh r eindrücklich , waru m e s i n eine r überreizte n Gesellschaft wi e unsere r fü r jederman n ein e Selbstverständlichkei t sein sollte , eine n Therapeute n z u haben . Besonder s therapiebedürftig, s o stan d d a geschrieben , seie n «Menschen , di e annehmen , sie hätte n kein e Therapie nötig. Sie stehen bereits wenige Schritte vo r de m Abgrund . E s is t wichtig , das s Angehörig e i n diesem Fal l unauffällig e Maßnahme n ergreifen , u m de n Kranke n sanft z u eine r Behandlun g z u bewegen.»
    Natürlic h wa r ic h sofor t alarmiert . Ic h hatt e j a sch o n immer vermutet , das s Be n nu r deshal b s o wenig e Problem e hatte , weil e r si e verdrängte . Mi r wa r e s vo n Anfan g a n suspekt , das s er behauptete, meine Sorgen seien eigentlich seine einzigen. Ich ergrif f als o unauffällig e Maßnahme n un d schenkt e ih m zum Nikol a u s eine n selbs t gebastelte n Gutschei n übe r eine Dreiviertelstund e Paartherapie . E r ta t nich t ma l so , al s würd e er sic h freuen . Letztendlic h konnt e ic h ih n nu r z u de m Besuch überreden , inde m ic h behauptete , ic h würd e fü r mic h selbs t eine Behandlun g i n Erwä g un g ziehen , un d e s se i mi r wichtig , das s er de n Therapeute n auc h kenne n lernt.
    «Waru m wills t d u den n i n Therapie , Belle?»
    «Ach , weiß t du , s o wege n allem.»
    «N a ja , tu t di r vielleich t wirklic h ma l gan z gut.»
    Man kann sich unschwer vorstellen, dass ich mich k ur z vor de r Explosio n befand . Ic h nah m mic h nu r deshal b zusammen, weil ich wusste, ich hatte es mit einem kranken Menschen zu tun , de r dich t vo r de m Abgrun d stand.
    Di e fünfundvierzi g Minute n ware n ein e einzig e Katastrophe. Scho n i m Wartezimme r nölt e Be n r u m, warum es hier keine anständige n Zeitschrifte n gäbe , sonder n nu r s o wa s wie «Psychologi e heute » un d Büche r mi t Luftaufnahme n von Hamburg.
    Als uns Dr. Roman Beier im Behandlungszimmer begrüßte, sagt e Benedik t Crame r eigentlic h s o gu t wi e ga r nicht s mehr. Zugegeben, ich war auch irritiert. Dr. Beier trug, obschon er mir vo n eine r erns t z u nehmende n Bekannte n empfohle n worden war, ein Sakko mit großen grünen Karos auf senfgelbem Fond. Ich wusste gar nicht, wo man so was legal kaufen kann. Hemd und Hose waren schlammfarben , un d sein e Füß e steckte n in Gesundheitssandalen , di e frei e Sich t gewährte n au f nackte , mit dunkle n Haare n üppi g bebüschelt e Zehen.
    Es war nicht so, dass er keinen Wert auf seine Kleidung legte, nein , diese s Ensembl e musst e e r akribisc h zusa m mengestellt haben . E r selbs t schie n sic h rech t gu t z u gefallen , wa s sic h nicht zuletz t dari n kundtat , das s e r eine n g roße n Spiege l aufgehängt hatte, der ihm erlaubte, sich selber darin zu sehen. Im Grunde therapiert e Dr . Beie r sic h selbst . Abe r al s wi r ih n verließen, hatt e ic h nich t de n Eindruck , das s auc h nu r eine r vo n un s dreien eine n Schrit t weitergekomme n war . E r hatt e Be n bereit s nach zeh n Minute n ein e gefährlich e Aversio n gegen Problemgespräch e attestiert . Abe r we r vo n un s wil l den n einen Man n haben , de r kein e gefährlich e Aversio n gegen Problemgespräch e hat?
    Mic h hiel t Dr . Beie r fü r absolu t selbstreferenziel l und egoman. Ach was? Ich zahle doch keine fünfundsiebzig Euro, blo ß dami t mi r eine r sagt , wa s ic h längs t weiß . Un d wa s ich eigentlic h nich t ma l b esonder s schlim m finde . Ic h bi n gerne egoman.
    Be n un d ic h ware n un s einig , das s wi r ni e wiede r i n Therapie gehen , un d da s ha t uns , möcht e ic h sagen , irgendwi e noc h mehr zusammengeschweißt.
     
    «Lieb e Annabel , die s is t de r Mann , de r nich t recht s vo n der Brau t stand , sonder n links.»
    Strahlen d un d Ar m i n Ar m mi t Hennin g steh t Sonj a vo r mir. Der Mann wirkt ein wenig reserviert, aber ich kann ihm seine Skepsi s nich t verdenken . Schließlic h bi n ic
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