Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod
Autoren: Anne Kuhlmeyer
Vom Netzwerk:
aufzubrechen? Oder soll ich meine Mutter fragen, ob sie sich um Sammy kümmert?«
    »Fang nicht wieder damit an. Wenn du deinen Job und Sammy nicht auf die Reihe bekommst, kann er besser bei mir wohnen. Das ewige Hin und Her tut ihm sowieso nicht gut. Vielleicht würde es auch helfen, wenn dein Reinhard etwas mehr Verständnis für deine familiäre Situation aufbringen könnte.« Conrad stand auf und nahm den Rucksack.
    »Hast du das in einem deiner schlauen Psychoratgeber gelesen, oder was? Da steht doch bestimmt auch drin, wie gut es für ein Kind ist, die Nächte allein zu verbringen, während sein Vater gegen die Mächte des Bösen kämpft .«
    »Hör auf damit! Ich lese keine Psychoratgeber.« Seine Stimme hörte sich lauter an, als er wollte. Sammy blickte aus aufgerissenen Augen. »Das hatten wir schon. Du weißt ganz genau …«
    Anke winkte ab. »Eben.«
    »Sammy, die Schuhe.« Conrad nahm die Jacke vom Haken. Sammy schob sich der Länge nach unter den Schrank.
    »Mach jetzt keinen Unsinn. Lass uns gehen. Du siehst ja, Mama hat es eilig.«
    »Sie sind weg.« Mit feuchten Augen starrte das Kind seinen Vater an.
    »Sie können nicht weg sein. Oder denkst du, der große Schuhwegnehmer ist gekommen und hat sie geholt?« Conrad wurde ungeduldig und Sammy schluckte. Schließlich brachte Anke ein Paar aus dem Flur. Sammy schlüpfte hinein, umarmte die Mutter zum Abschied und schob seine kleine Hand in Conrads.
    »Darf ich vorn sitzen?«, fragte Sammy, erhielt aber nur den Du–weißt-dass–das–nicht–geht-Blick von seinem Vater. Das schlechte Gewissen blieb Conrad. Auf dem Weg zum Kindergarten schwiegen sie, nur die Morgenfröhlichkeit von Radio Kiepenkerl erfüllte das Wageninnere, bis das Handy wieder klingelte.
    »Ich schmeiße das verdammte Ding aus dem Fenster«, knurrte Conrad und nahm ab. »Hat das nicht noch eine halbe Stunde Zeit?« Er lauschte in den Hörer. »Okay. Ich komme.« Zu Sammy sagte er: »Wir müssen einen kleinen Umweg machen.«
    »Warum?«
    »Meine Arbeit.«
    »Nimmst du mich mit zu deiner Arbeit?« Der Junge zappelte aufgeregt auf seinem Kindersitz hin und her.
    »Ja, aber nur ganz kurz. Du musst im Auto bleiben. Versprichst du mir das?«
    »Nö … Ich will mit.«
    »Das geht nicht.« Conrad quetschte seinen Wagen zwischen den anderen Autos in der Auffahrt von »Haus Abendsonne« hindurch und hielt hinter dem Van der KTU. Das Fahrzeug der Abteilung für kriminaltechnische Untersuchungen verdeckte den Eingang fast völlig.
    »Sammy, warte hier. Bitte. Es ist wichtig! Ich mache dich zu meinem persönlichen Beobachter. Das ist eine Mission«, meinte Conrad verschwörerisch.
    »Was ist eine Mission?« Sammy schmollte.
    »Eine Aufgabe.«
    »Aufgaben sind doof.«
    »Eine Mission ist aber eine ganz besondere, eine super wichtige Aufgabe. Und diese hier ist auch noch geheim.«
    »Was soll ich denn beobachten?« Sammy löste seinen Gurt, interessiert, aber nicht völlig versöhnt.
    »Verdächtige natürlich. Abgemacht?«
    »Was sind Verdächtigte? Solche, wie der da.« Er zeigte auf einen alten Mann mit Hut und einem Stumpen im Mundwinkel, der abseits von einem Trupp Schaulustiger stand.
    »Ja, so ähnliche.«
    »Na gut.« Conrad hörte den Missmut in der Stimme des Kindes, aber er konnte es nicht ändern, jetzt nicht. Er lächelte ihm zu und wollte aussteigen.
    »Und was kriege ich dafür?«, fragte Sammy, bevor Conrad die Tür öffnen konnte.
    »Eine Verfolgungsjagd.« Schlawiner, dachte er und stieg aus.
    Die Anlagen vor dem neuen Bau wirkten gepflegt. Vergissmeinnicht und Ranunkel reckten ihre Blüten in die Morgensonne. Der Winter war lang und eisig gewesen, plötzlich und mit Wucht war es Frühling geworden. Einen Moment dachte er an seine Mutter. Hübsch hätte sie es hier. Kurz spürte er einen Druck in der Brust, dann betrat er das Foyer.
     
    Sammy wartete, bis sein Vater im Hauseingang verschwunden war, öffnete die Wagentür und kletterte hinaus. Ein alter Mann mit so einem Gestell zum Laufen steuerte auf ihn zu und stellte das Wägelchen vor ihm ab.
    »Na, Großer, wo willst du denn hin?«
    »Verdächtige beobachten.« Sammy blickte zu dem Alten hoch und reckte sich. »Ich habe eine Mission.«
    »Eine Mission. Oh.« Der Alte machte ein wichtiges Gesicht. »Kann man das nicht besser, wenn einen keiner sieht?«
    Sammy überlegte. Er betrachtete den Alten genau, seine gebeugte Haltung, die Runzeln im Gesicht, die von Flecken übersäten Hände, eine Narbe, die die Unterlippe teilte. Im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher