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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Unterlagen auf dem Schreibtisch waren durcheinander. Herr Freitag war immer sehr ordentlich, wissen Sie. Sonst ist mir nichts aufgefallen.«
    »Hätte nicht jemand schon früher oder von draußen erkennen können …«, Julia Morgenstern unterbrach sich, »dass etwas passiert ist«, sagte sie schließlich.
    Irina schüttelte wieder den Kopf. »Die alten Leute haben nur bis achtzehn Uhr Ausgang. Danach ist niemand mehr im Garten, und um zwanzig Uhr gehen die Rollläden herunter, von selbst.«
    »Und sie gehen auch automatisch wieder hoch?«
    »Um sechs Uhr morgens, bevor ich komme.«
    Julia Morgenstern notierte sich die Zeiten und erhob sich. »Haben Sie eine Idee, wer Herrn Freitag das angetan haben könnte?«
    Irina zuckte die Schultern, verharrte einen Moment, bevor sie antwortete. »Er war nicht sehr beliebt. Es gab Beschwerden von Angehörigen, manchmal Streit mit Herrn Eck. Warum, weiß ich nicht. Herr Eck ist der zweite Chef.«
    Dass Uwe Eck die Position des stellvertretenden Geschäftsführers innehatte, war dem Schild an der Bürotür zu entnehmen.
    »Ist das alles?« Die Beamtin wartete.
    Irina zupfte an ihrer Strickjacke und vermied den Blickkontakt. »Es gab viel Streit mit Frau Freitag, auch mit den Kindern«, sagte sie. »Aber die waren es nicht. Bestimmt nicht«, fügte sie hastig hinzu.
    Julia Morgenstern runzelte die Brauen. Es entstand nur eine winzige Falte auf ihrer glatten Stirn. »Wie können Sie so sicher sein?«
    Irinas Gesicht hellte sich auf und legte ihr offenes Wesen frei. »Es sind gute Menschen«, behauptete sie voller Inbrunst, sagte einfach, was sie glaubte.
    Julia Morgenstern reichte ihr die Hand. Ein fester, trockener Händedruck. »Sie können jetzt gehen, Frau Glück. Wir werden sicher noch einmal mit Ihnen sprechen müssen. Haben Sie eine Telefonnummer?«
    Irina gab sie ihr. Unbehaglich folgte sie der Beamtin zur Tür. Sie hätte sie gern noch gefragt, was passierte, wenn man ohne gültiges Visum erwischt würde, doch sie traute sich nicht recht.
    Julia Morgenstern sah sie fragend an, merkte, dass sie zögerte. Aber Irina reagierte nicht. So sagte sie: »Auf Wiedersehen, Frau Glück.« Es klang wie ein Befehl.

4
    Conrad klingelte zweimal und wartete. Abwesend betrachtete er das Namensschild, das er einmal im Kindergarten mit Sammy gebastelt hatte. Ein Oval aus gebranntem Ton, himmelblau lackiert, die Namen dunkel abgesetzt »Anke, Conrad & Samuel Böse«. Anke hatte es mitgenommen, als die beiden ausgezogen waren, und angebracht, wahrscheinlich weil Sammy darauf bestanden hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Tür aufgestoßen wurde. Keine Begrüßung.
    Conrad sah Ankes reizvolle Rückseite über den Flur ins Kinderzimmer stöckeln. Ein neues Kostüm in anthrazit, dachte er. Oder hatte sie es schon früher besessen? Sie hatte sich immer darüber aufgeregt, dass er nicht bemerkte, wenn sie etwas Neues trug oder beim Friseur gewesen war. Sie hatte es stets so eilig, dass er kaum dazu kam, ihre aparte Erscheinung ausführlich zu betrachten, egal wie gerne er das auch getan hätte. Früher. Irgendwann hatte das aufgehört. Nach dieser … Sache hatte eigentlich alles aufgehört. Sie hatten es trotzdem beieinander ausgehalten, jahrelang. Dann kam Samuel. Sammy. Conrad lächelte die Bitterkeit weg. Er folgte Anke durch den leeren Flur ins Kinderzimmer. Umzugskartons standen herum, Sammys Bett voller Plüschtiere, an der Wand ein Poster von Mickey Mouse, das Conrad ihm geschenkt hatte.
    »Nun mach schon. Zieh deine Schuhe an.« Anke packte T-Shirts und Jeans in Sammys Rucksack. Obendrauf schnürte sie den Clown, den der Junge seit seiner Geburt besaß und »Lala« getauft hatte, bevor er sprechen konnte.
    »Hi, Pa«, sagte Sammy, hob die Hand zum Gruß und baute an seinem Legoturm weiter.
    »Sammy! Es wird Zeit. Räum die verdammten Bausteine ein! Ich muss los.«
    »Hi, Großer. Auf in den Kindergarten!« Conrad wuschelte durch Sammys dunkelblonden Schopf. Der Junge sammelte winzige Steinchen aus einer Kiste und klickte sie an sein Bauwerk.
    »Du bist wie dein Vater.« Anke warf den Rucksack aufs Bett und wandte sich an Conrad. »Wieso bist du so spät? Du weißt, dass ich den Flieger kriegen muss.«
    »Ich weiß. Bei meiner Mutter hat es gebrannt.«
    Anke sah Conrad erschrocken an. Aber der ließ sich neben seinem Sohn nieder und vervollständigte die Kuppel des Turms.
    »So schlimm scheint es ja nicht gewesen zu sein. Würdet ihr euch mal entschließen, in den Kindergarten
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