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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Augenblick schien es ihm nicht ratsam zu widersprechen. Deshalb schwieg er.
    »Also früher, als ich noch im Dienst war, haben wir die Verdächtigen immer vom Auto aus beobachtet.«
    »Du bist Polizist?« Sammy staunte.
    »Ich war es. Hauptkommissar.« Der Alte lächelte. Er winkte Sammy hinter ein großes Auto. Sammy zögerte, folgte ihm dann aber Schritt für Schritt.
    »Hier ist ein ausgezeichneter Platz.«
    Irgendwie fand Sammy das auch. Neugierig linste er in Richtung Eingang, aber es war nichts zu sehen als hin und her huschende Gestalten in weißen Overalls, die Taschen und Koffer schleppten.

5
    Conrad Böse stürmte mit wehendem Trenchcoat und dem Handy am Ohr auf Julia Morgenstern zu. Sein Atem ging schwer, als sei er den Weg zum Seniorenheim gelaufen. »Lilly. Ich wollte dich anrufen. Bestimmt.« Dann lauschte er eine Weile. »Nein.« Wieder eine Pause. »Ich kann jetzt nicht. Aber wir können morgen … Es geht jetzt wirklich nicht. Ich muss arbeiten. Kannst du dir nicht vorstellen, dass …? Lilly?« Als er bei Julia ankam, ließ er das Handy sinken.
    »Ich muss Sammy in den Kindergarten bringen. Er hat seinen Turm nicht fertig bekommen und die Schuhe nicht gefunden«, entschuldigte sich Conrad. Er sah Julia mit dem braunen Blick eines Labradors an. Obwohl sie erst seit wenigen Monaten mit ihm zusammenarbeitete, kannte sie seine Masche, das sah er ihr an.
    Wegen Personalmangels hatte man Julia aus Düsseldorf in die Dienststelle Coesfeld versetzt, ohne Conrad über ihr Erscheinen zu informieren. Eines Morgens war sie plötzlich da gewesen und hatte sich an seinem Schreibtisch ausgebreitet. Es hatte einige Zeit gebraucht, bis klar war, wer wann was zu tun und zu sagen hatte. Von da an ging es. Sie mochten sich auf eine schroffe Weise.
    Julia wies mit dem Finger auf Conrads Brust. »Hat Sammy dir auch das Hemd zugeknöpft? Dann muss er noch ein bisschen üben.«
    Conrad blickte an sich hinab und beeilte sich, seine Kleidung in Ordnung zu bringen. Es hatte schnell gehen müssen heute Morgen, wie immer eigentlich, wenn seine Ex unterwegs und er für den sechsjährigen Samuel verantwortlich war. Im August würde Sammy eingeschult und dann würde alles noch schwieriger werden, besonders wenn sich Anke mehr um ihre Arbeit, ihre zahlreichen Freizeitaktivitäten und um ihren Neuen als um den Jungen kümmerte.
    »Hast du schon was?«, wechselte er das Thema und wich einem Kollegen im Overall aus. »Moment!«, rief er ihm nach. Doch der Mann reagierte nicht. Julia hielt Conrad am Ärmel fest, bevor er ihm nachjagen konnte.
    »Sie sind noch nicht fertig. Es gibt unzählige Spuren. Das dauert, das weißt du doch. Du hättest in aller Ruhe noch eine Tasse Kakao mit Sammy trinken können«, neckte sie ihn.
    Conrad warf einen Blick in Freitags Büro – ein ansprechender, funktionaler Raum mit hellen Möbeln und überfüllt mit Menschen. Über die Schulter der Notärztin hinweg erkannte er das Formular des Totenscheins auf dem Klemmbrett. Ein Blitzlicht leuchtete auf. Der Leichnam wirkte falsch zwischen dem lebendigen Treiben. Conrad Böse betrachtete den Toten eine Weile. Das war nicht der Mann, den er vor vielleicht sechs Wochen gesprochen hatte, um seiner Mutter einen Heimplatz zu besorgen. Konnte er nicht sein. Der Mann hatte ein Gesicht gehabt. Ein ganzes, richtiges Gesicht. Um die Leiche herum war eine Unzahl von Kärtchen mit Ziffern aufgestellt. Zwei Vermummte hockten daneben, in ihre Arbeit vertieft.
    »Vor heute Nachmittag erfahren wir sowieso nichts von denen«, sagte Julia. »Lass uns nach Hause fahren.«
    Conrad wusste, dass sie mit »nach Hause« nicht ihre oder seine Wohnung, sondern die Dienststelle meinte. In den letzten Wochen hatten sie die nämlich häufiger gesehen als den heimischen Herd.
    »Und wozu habe ich mich dann so abgehetzt«, murrte er, sah sein freies Wochenende schwinden und trottete hinter Julia her. Sie zuckte die Schultern, was irgendwie hübsch aussah, weil ihre Locken darauf wippten. In einer seiner Taschen gab sein Handy knatternde Geräusche von sich. Er sah auf das Display. Eine SMS von Lilly.
    »Du liebst mich nicht.«
    Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Nicht jetzt, dachte er. Jetzt ist das wirklich ganz schlecht. Er kannte Lilly seit Monaten, hatte sich an ihr gewärmt, nachdem er sich von Anke getrennt hatte. Sie war freundlich und unkompliziert. Das hatte er jedenfalls bisher geglaubt.
    Draußen nahm Conrad einen tiefen Zug von der klaren Luft. Eine Amsel sang ein Morgenlied
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