Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod
Autoren: Anne Kuhlmeyer
Vom Netzwerk:
auf den Beifahrersitz »Scheiße!« und bog in einen Feldweg ein.
    Von weitem sah er seine Mutter den Gartenweg fegen. Er hielt vor dem weiß gestrichenen Zaun, der den von wildem Wein überwucherten Kotten aus Baumberger Sandstein umgab. In den Rabatten blühten die letzten Tulpen und die ersten Akeleien. Jossel sprang am Zaun entlang, wedelte und ließ sein freudiges Jaulen hören. Maria Böse besaß den Berner Sennenhund seit drei Jahren. Nach dem Tod von Conrads Vater hatte sie sich einsam gefühlt, obwohl die Ehe bestimmt nicht das war, was man hätte harmonisch nennen können. Sie hatten gestritten wie die Besenbinder. Bis zu seinem Todestag hatte Conrads Vater geschimpft und gewettert, und Maria hatte dagegen gehalten. Später hatte sie gelitten deswegen, lange und furchtbar. Sie hatte sich Vorwürfe gemacht und auch ihm, weil er zuletzt so egoistisch gewesen war, sie mit allem allein zu lassen. Seit Jossel da war, kräuselten sich wieder Lachfältchen um ihre Augen.
    Conrad winkte seiner Mutter zu. Maria Böse stellte den Besen an die Hauswand und winkte zurück. Es war still bis auf Jossel und das Zwitschern der Vögel. Conrad küsste seine Mutter auf die Wange, trat einen Schritt zurück und betrachtete sie mit hochgezogenen Brauen. Sie trug eine Strickjacke zweifelhafter Farbe, irgendetwas zwischen lila und beige und einen karierten Faltenrock über der Jogginghose.
    »Schön, dich zu sehen. Wie geht’s dir, Mama?« Er wollte nichts sagen, sich nichts anmerken lassen und kraulte Jossels Ohren.
    »Du bist spät dran. Aber wenn ich fertig bin, kannst du einen Tee haben.« Sie fegte ein bisschen schneller.
    »Ehrlich gesagt, bin ich in Eile. Ich muss Sammy zum Kindergarten bringen.«
    »Du bist immer in Eile. Wenn du dich überhaupt einmal sehen lässt.«
    Conrad seufzte. »Erinnerst du dich an Dienstag? Du weißt, ich liebe Rhabarberkuchen. Und der am Dienstag war phantastisch.«
    »Selbstverständlich erinnere ich mich. Oder denkst du, ich wäre ein bisschen …« Sie wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht.
    »Ein wenig vergesslicher als früher bist du schon.«
    »Kommt jetzt wieder die Leier mit dem Altenheim? Das kannst du dir sparen, Conrad. Es geht mir gut. Es geht mir so gut hier wie nie in meinem Leben.«
    »Ich weiß. Ich kann dich auch verstehen. Gut sogar. Aber glaubst du, dass du das alles …« Er machte eine ausladende Bewegung mit dem rechten Arm, die das Haus, den Garten, das Leben hier draußen einschloss, »… noch in ein oder zwei Jahren bewirtschaften kannst?«
    »Hast du etwas auszusetzen?« Maria schob das Kinn ein wenig nach vorn. Sie hatten diese Diskussion schon tausend Mal geführt.
    »Am Garten nicht. Aber hast du heute schon mal in den Spiegel geschaut?« Das hatte Conrad eigentlich gar nicht sagen wollen.
    Seine Mutter sah an sich hinab. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Du siehst ein bisschen …«, er machte eine Pause, um zu retten, was zu retten war, »… seltsam aus.«
    »Seltsam.« Maria schwieg einen Augenblick. »Findest du?«
    »Früher warst du die eleganteste Frau, die ich kannte.« Vielleicht ging es doch gut.
    »Früher hätte mir Professor Kamps den Kopf abgerissen, wenn ich nicht in Kostüm und Hochhackigen erschienen wäre. Heutzutage kommen ja sogar die Chefsekretärinnen bauchfrei ins Büro. Jetzt trage ich, was ich will, und tue, was ich will, ob es dir passt oder nicht.«
    Es war besser, wenn Conrad das Thema wechselte. »Das Seniorenheim hat sehr freundliche, helle Zimmer, und mit einigen der Bewohner habe ich mich wirklich nett unterhalten.«
    Maria winkte ab und schob das Häuflein, das sie zusammengefegt hatte, an den Wegrand. »Alles alte Leute.«
    »Was erwartest du? Aber ich mache mir Sorgen, verstehst du das denn nicht? Was soll denn werden, wenn …«
    Sie schnitt ihm das Wort ab. »Nein. Ich finde, dass du dich um deinen Kram sorgen solltest.«
    Conrads Handy klingelte. Er hielt sich das Handy ans Ohr. Sein Blick wanderte über die berankte Fassade. Feiner Rauch quoll aus einem Spalt zwischen Haustür und Rahmen. »Ja, verdammt. Ich komme gleich«, sagte er und sprintete ins Haus. Sekunden später hastete er wieder hinaus und warf fluchend einen Topf ins Beet.
    »Oh, das waren die dicken Bohnen.« Ungerührt schob Maria den Kehricht auf eine Schaufel.
    »So geht das nicht weiter. Du wirst dich noch umbringen.«
    »Bloß weil einmal mein Essen anbrennt?« Sie tätschelte Jossel den Kopf. »Wie stellst du dir das vor? Was soll denn aus dem Hund
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher