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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Autoren: Siegfried Wittwer
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wehrte ab.
    »Und wen soll ich nun einsperren?«, fragte der Büttel verdattert. Er blickte fragend von einem zum anderen.
    »Du sollst niemanden einsperren«, mischte sich Benno Greve ein. Seine Stimme klang warm und melodiös, wie Rosa feststellte, und es gefiel ihr.
    »Aber man hat mich doch gerufen. Was soll ich hier?«
    »Ich habe etwas gesehen, als ich nach dem Jungen getaucht bin«, erklärte Rosa nun.
    »Und was, bitte schön?«, wollte der Büttel wissen.
    »Einen Mann.«
    »Einen Mann?«
    Nun blieb auch der Stadtschreiber stehen und blickte neugierig zurück.
    »Ja, ich denke, es war ein Mann. Er liegt ungefähr dort.« Sie wies auf die Stelle, wo sie die Leiche vermutete.
    »Ach, nur ein Toter mehr.« Friese machte eine wegwerfende Handbewegung. »Seit Krieg ist, schwimmen hier doch fast täglich Leichen vorbei.«
    »Aber dieser liegt auf dem Grund der Elbe«, widersprach Rosa. »Gefesselt. Und er ist dort wahrscheinlich schon sehr lange.«
    »Wo liegt die Leiche?«, wollte der Büttel wissen.
    Rosa zeigte ihm die Stelle, und der Stadtsoldat watete ein Stück weit in den Fluss hinein und begann mit der Hellebarde im Wasser herumzustochern, während die anderen ihm neugierig zuschauten.
    Rosa warf einen schnellen Seitenblick auf den Advokaten. Auch er wandte sich ihr in diesem Moment zu, als spürte er, dass sie ihn ansah. Ihre Blicke begegneten sich, und Benno Greve lächelte sie freundlich an. Rosa wandte schnell den Kopf. Der Advokat sollte nicht sehen, wie sie errötete. Doch konnte sie ihre Verlegenheit kaum verbergen. Also wagte sie mutig einen Vorstoß: Sie blickte den jungen Mann wieder an und erwiderte sein Lächeln.
    »Ich glaube, ich hab was«, rief der Büttel und wuchtete seine Hellebarde hoch. Gespannt schauten alle auf den Fluss hinaus. Ein Bündel verfaulter Kleidung tauchte aus dem Wasser auf, aus dem ein halb skelettierter Arm heraushing. Der Büttel zerrte es ins Flachwasser. Es war ein Mensch, oder das, was von ihm übrig geblieben war. Ein aufgedunsener, halb verwester Körper, Beine und Arme gefesselt und mit Steinen beschwert.
    Der Büttel drehte ihn mit der Hellebarde auf den Rücken.
    »Iiiih«, rief Conrad von hinten.
    »Komm, schau weg, Junge!«, befahl ihm sein Vater. Frieses Gesicht war aschfahl geworden, und auch die anderen schüttelten sich vor Ekel und Übelkeit.
    Man hatte dem Mann offensichtlich die Augen ausgestochen, bevor er ertränkt worden war. Das Gesicht war aufgequollen und pappig wie schlecht gewordener Quark und die Nase abgefault oder von Fischen weggefressen.
    Stumm starrten alle auf die Wasserleiche. Das Entsetzliche bannte ihren Blick. Schließlich riss Rosa sich davon los und schüttelte sich. Sie spürte deutlich, wie sich ihr Mund zusammenzog und ein saurer Geschmack von ihrem Magen aufstieg. Schnell lief sie einige Schritte zur Seite, würgte und erbrach sich mit tränenden Augen.
    Eine Hand legte sich beruhigend auf ihren Rücken und jemand reichte ihr ein blütenweißes Taschentuch. Sie nahm es an und wischte sich den Mund ab.
    »Danke!«, murmelte sie. Erst dann hob sie den Blick. Es war Benno Greve, der ihr das Taschentuch gereicht hatte. Auch sein Gesicht war bleich. Der Anblick der halb verwesten Wasserleiche war auch an ihm nicht spurlos vorüber gegangen.
    »Keine Ursache«, antwortete er. »Du kannst das Taschentuch behalten.«
    Rosa wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen und holte tief Luft.
    »Puh«, sagte sie, »was für ein Anblick!«
    »Das kann man wohl sagen«, stimmte Benno ihr zu. »Mir ist auch ganz flau im Magen. Wer ist wohl der Tote, und wer und warum hat man ihn umgebracht?«
    Rosa zuckte mit den Schultern.
    »Ich kenne ihn nicht. Jedenfalls glaube ich, dass ich ihn nicht kenne, so wie der jetzt aussieht. Aber von den Kleiderfetzen her gesehen, gehört er wohl eher zu den reichen Pfeffersäcken.«
    Sie schlug erschrocken die Hand vor den Mund, als ihr klar wurde, was sie gerade gesagt hatte. Doch der Advokat schaute sie mit seinen hellbraunen Augen freundlich an und flüsterte ihr wie ein Verschwörer zu: »… zu den fetten Pfeffersäcken!«
    Sie kicherte hinter vorgehaltener Hand, wurde aber schnell wieder ernst.
    »Wenn man ihn hier in der Elbe versenkt hat, dann stammt der Mann wohl aus Magdeburg«, dachte sie laut.
    »Ja, und dann handelte es sich bei ihm nicht um ein Kriegsopfer, sondern um einen Mord«, führte Benno Greve ihren Gedanken weiter. Sie sahen sich lange an, beinahe, als ob sie alte Freunde
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