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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten
Autoren: Reinhard Barth
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außenpolitischen Erfolgen begleitet. Es gelang ihm, die Versorgungskrise
     zu meistern, in die Rom geraten war, die Verwaltung des Reiches in einige Ordnung zu bringen und das Verhältnis zum Senat
     zu verbessern, das unter Caligula stark gelitten hatte. Er führte den von seinem Vorgänger begonnenen Bau von Wasserleitungen
     fort, kümmerte sich um den Straßenbau und gründete nahe der Tibermündung einen neuen Seehafen, über den künftig die Anlieferung
     von Nahrungsmitteln für die Hauptstadt laufen sollte. Er machte Thrakien und das südliche Britannien zu Provinzen des Römischen
     Reiches.
    Zuhause aber ging bei ihm alles drunter und drüber. Seine Gattin Messalina hielt sich Liebhaber, einen nach dem anderen, sie
     veranstaltete Orgien und heckte Komplotte aus, die hochgestellte Persönlichkeiten das Leben kosteten. Hauptsächlich geschah
     das, indem sie ihrem Mann Material über angebliche Verschwörungen und Umsturzpläne zuspielte, und dieser reagierte dann hastig
     und ohne weitere Nachprüfung mit drakonischen Bestrafungen oder gar Todesurteilen. Die antike Geschichtsschreibung erkannte
     darin nur das Walten eines grundbösen Frauencharakters. Es machte Messalina Spaß, Menschen ins Unglück zu stürzen, so die
     einhellige Meinung. Wenn es sich um Männer aus ihrem Bekanntenkreis handelte, dann waren es abgelegte Liebhaber, deren sie
     überdrüssig war, oder solche, die ihren Verführungskünsten widerstanden hatten und die sie dafür mit ihrem Hass verfolgte.
     Jüngere Historiker sehen die Dinge mittlerweile anders. Sie schreiben der Frau neben ihrem offenbar ungewöhnlichen sexuellen
     Verlangen eine hohe politische Intelligenz zu. Die Männer, die sie aus dem Weg räumen ließ, waren solche, die ihr und ihrem
     Mann, möglicherweise auch ihrem Sohn Britannicus gefährlich werden konnten. Für Claudius bedeutete es einen Gewinn, dass er
     Messalina hatte. Mochte sein Ansehen auch darunter leiden, dass seine kokette junge Frau nach jungen Männern |34| Ausschau hielt und den Ehemann nach ihrer Pfeife tanzen ließ, so besaß er doch andererseits durch die Verbindung mit einer
     Angehörigen des Hochadels, noch dazu aus dem Hause des verehrten Augustus, eine Legitimation für seine Herrschaft, die er
     dringend benötigte.
    Im Jahr 48 allerdings war es mit dem sonderbaren Bündnis zwischen dem in die Jahre gekommenen Kaiser und der lebenslustigen
     Frau zu Ende. Messalina hatte es sich mit Claudius wichtigsten Mitarbeitern, vor allem dem Leiter des kaiserlichen Sekretariats,
     Narcissus, verdorben. Er und andere mussten fürchten, wegen irgendwelcher erdichteten Geheimbündeleien angeschwärzt zu werden.
     Und die Kaiserin selbst wollte sich offenbar auch nicht länger auf ihren Ehemann verlassen und plante, ihn zu verlassen. Gaius
     Silius hieß der neue Mann an ihrer Seite, ein junger Senator, der sich bereit erklärte, Messalina zu heiraten und ihren Sohn
     Britannicus zu adoptieren. Und Claudius’ Nachfolge nicht nur im Bett, sondern auch als Imperator des Römischen Reiches anzutreten,
     hielt der Jüngling sich wahrscheinlich auch für befähigt.
    »Ich bin mir wohl bewusst, dass es wie ein Märchen klingen wird«, mit diesen Worten beginnt Tacitus seinen Bericht über die
     letzten Tage Messalinas. In der Tat, die Hochzeit fand statt, und Claudius tat nichts dagegen. Angeblich hatte er sogar sein
     Einverständnis gegeben. Seine Mitarbeiter aber handelten.
    Und so nimmt das Geschehen seinen Lauf: Narcissus und die anderen Vertrauten, Callistus und Pallas, öffnen Claudius die Augen
     über die Umtriebe seiner Gemahlin, und dieser erwacht endlich aus seiner Lethargie und Stumpfheit. Messalina feiert in ihrem
     Palast nichts ahnend ihre letzte Orgie. Es ist Herbst, da wird das Winzerfest begangen, ein wüstes Bacchanal, die Frauen toben
     in Felle gehüllt umher, und Messalina, mit flatternden Haaren, führt gemeinsam mit ihrem efeubekränzten Bräutigam den wilden
     Reigen an, als ein Gerücht aufkommt: Der Kaiser, den alle auf Dienstreise in Ostia wähnten, sei im Anmarsch. Darauf zerstreut
     sich die Festgesellschaft in Windeseile. Wer es nicht schafft, rechtzeitig zu verschwinden, den greifen die Häscher des Narcissus.
     Messalina aber zieht ihrem Gemahl entgegen, im Vertrauen darauf, dass es ihr gelingen werde, den Alten zu besänftigen. Zusätzlich
     gibt sie Order, auch die Kinder herzubringen und die oberste Vestalin zu bitten, ein gutes Wort für sie einzulegen. Mit
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