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Frau Prinz pfeift nicht mehr

Titel: Frau Prinz pfeift nicht mehr
Autoren: A Scheib
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Wasser über den Puls laufen lassen, Yogaübungen machen. Agnes war sich sicher, daß es Papke gewesen
     war, der den Jungen vor die U-Bahn gestoßen hatte, und daß dieser Stoß in Wahrheit ihr galt, aus Rache, weil sie seine primitiven Unterschlagungen aufgedeckt
     hatte.
    »Jetzt, wo die Prinz nicht mehr pfeift, fehlt einem fast etwas, nicht wahr?« Frau Tinius riß Agnes aus ihren Gedanken. »Der
     Kommissar war doch bei Ihnen, Frau Molden. Weiß man schon, wie das passiert ist? Von allein fallen Dachpfannen ja nicht vom
     Himmel. War das der dunkle Dachdecker mit dem roten Kopftuch? Die Schierl behauptet das immer noch, wie sehen Sie das? Sie
     haben doch mit den Dachdeckern Kaffee getrunken, Sie müssen die doch kennen.«
    Agnes war verblüfft, sie vergaß ihr Herzklopfen, sah Frau Tinius in das hagere Raubvogelgesicht. Diese Nachbarin – sie hätte
     ihre Großmutter sein können, und so |176| benahm sie sich auch. Es ging Agnes oft gegen den Strich, wie sie von Nachbarn entweder bevormundet wurde oder angefeindet.
     Diese Tanten sollten sich doch um ihren eigenen feuchten Schmutz kümmern. Aber nein. Sie spionierten ihr nach, taten unheimlich
     freundlich, vor allem mit den Zwillingen, in Wahrheit aber versuchten sie, alles über die Moldens herauszubringen.
    »Woher wissen Sie das mit den Dachdeckern?« fragte Agnes, und Frau Tinius fiel ihr sofort ins Wort, sagte, daß die Prinz das
     überall erzählt habe. »Kurz bevor das mit den Dachpfannen passiert ist. Da hat die Prinz gesagt, daß Sie mit den Dachdeckern
     in Ihrem Gartenzimmerchen gesessen und Kaffee getrunken haben. Manchmal sogar zweimal am Tag. Die Prinz hat auch immer rumerzählt,
     ein Mann wäre Ihnen nicht genug, Sie hätten oft Männer zu Besuch, wenn Ihr eigener Mann nicht daheim ist.«
    Frau Tinius sah Agnes erwartungsvoll an, doch Agnes war an die üble Nachrede von Frau Prinz gewöhnt, und da die Tinius mit
     ihrem Geschwätz sie ablenkte von ihrer |177| Nervosität und von dem Gedanken an den Angriff Papkes in der U-Bahn -Station, blieb sie bereitwillig noch eine Weile mit ihr am Gartentor stehen und hörte sich die neuesten Nachrichten aus der
     Max-Ernst-Straße an.

16
    Berthold Prinz-Papke holte eine große Reisetasche aus dem Keller. Seit er die Molden unter die U-Bahn gestoßen hatte, fühlte er sich sorglos und frei. Durch die Molden hatte er seine Existenz verloren, und dafür hatte er sich
     gerächt. Jetzt war ihm wohler. Einer von den Moldens mußte auch seine Schwiegermutter auf dem Gewissen haben. Die hatte in
     ihrem blinden Haß ständig neue Geschichten über die Moldens erzählt. Daß er bei einer Frau eine Katzenallergie nicht erkannt
     habe. Daher sei die Frau erstickt, aber ihm habe keiner was getan. Der könne weiter seinen Jaguar fahren. |178| Und seine Frau, dieses junge Ding. Die habe doch nur fremde Männer im Kopf.
    Berthold konnte sich schon vorstellen, daß die Moldens seine Schwiegermutter satt hatten. Daß sie ihr einen Denkzettel geben
     wollten. Und da hatten sie eben die Gelegenheit ausgenutzt. Schließlich war das Haus der Moldens eingerüstet, Dachpfannen
     lagen überall rum, die Jungs wurden einfach nicht fertig mit dem alten Dach. Berthold hatte seine Mutmaßungen gestern dem
     Kemper erzählt. Der Trottel glaubte doch tatsächlich, er, Berthold, habe seine Schwiegermutter umgebracht.
    Berthold Papke war sicher, daß dieser scheinheilige Molden, der Ingrid früher mal den Kopf verdreht haben mußte, die Dachpfannen
     auf seine Schwiegermutter geworfen hatte. Wegen der jüngsten Verleumdung, die ihm ganz schöne Scherereien eingebracht hatte.
     Einen dicken Prozeß hatte es gegeben, weil seine Schwiegermutter die Familie der Toten gut kannte und sie gegen den Molden
     aufgehetzt hatte. Da hatte er es ihr heimgezahlt.
    Papke mußte lachen. Molden konnte |179| nicht wissen, daß er damit Papke und auch Ingrid einen großen Gefallen getan hatte.
    Ach Gott, Ingrid, die dumme Kuh. Er hatte sie völlig vergessen. Flüchtig dachte Papke, daß sie sich dieses Aussiedlerkind
     hatte klauen müssen, sie war wohl langsam verrückt geworden nach der Totgeburt. Natürlich war ihm nicht entgangen, daß die
     Alte sie ertappt hatte, er war, in der Diele stehend, schließlich Zeuge geworden, wie die Alte Ingrid mit der überlauten Stimme
     der Schwerhörigen bedrohte, sie erpreßte.
    Vielleicht hatte ja auch Ingrid die Dachpfannen auf ihre Stiefmutter geworfen. Auch das hätte Berthold verstanden. Ihm war
     es
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