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Franziskus, der neue Papst (German Edition)

Franziskus, der neue Papst (German Edition)

Titel: Franziskus, der neue Papst (German Edition)
Autoren: Simon Biallowons
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Europazur Chefsache erklärt. Bei zahlreichen Auftritten und Ansprachen thematisierte Benedikt XVI. Europa, fragte nach der europäischen Identität, dem jüdisch-christlichen Erbe als Fundamente oder der Zukunft des Kontinents in einer globalisierten-säkularisierten Welt. Belege dafür gibt es zahlreiche, zum Beispiel seine Rede in Prag: »Europa ist mehr als ein Kontinent. Es ist ein Zuhause!«
    Für Benedikt XVI. war Europa ein Zuhause. Dementsprechend empfand er es als seine Pflicht, sich um dieses Zuhause zu kümmern. Das bedeutete denn auch, kritisch dieses Europa von heute zu beleuchten. Wenn der Papst davon sprach, dass »Europa das Beste seines Erbes neu« gewinnen müsse, so impliziert das nichts andere, als die Behauptung, Europa habe ebendieses Beste verloren. Solche Einschätzungen waren geprägt von einer gewissen Skepsis, die Ratzinger oft als Kulturpessimismus ausgelegt wurde, als Abneigung gegen die Moderne a priori. Diese Skepsis kann man nicht leugnen, genauso wenig wie in gewissen Dingen eine übergroße Distanz zur Moderne. Aber: Benedikt XVI. war ein Kulturpessimist. Und er war schon gar nicht ein Fatalist, der, im Apostolischen Palast sitzend, die Politik Politik, die Welt Welt sein ließ. Benedikt XVI. hat versucht, seine Rolle als »Pontifex«, als »Brückenbauer«, zu erfüllen, das ist sicher. Nur, hat er sein Gewicht als Oberhaupt von mehr als einer Milliarde Anhängern auch wirklich ausgenutzt, um die Position der Kirche als Global Player, die ihr Johannes Paul II. durch sein Auftreten im Kalten Krieg verschafft hatte, zu festigen, auszubauen und zu nutzen?
    Es ist der 18. April 2008, ein Freitag in New York. So kurz vor dem Wochenende lebt Big Apple noch mehr auf, normalerweise. Es geht relaxter zu, das Weekend-Feeling beginnt einzusetzen. Doch an diesem 18. April, schon wieder ein 18. April, liegt eine Spannung über der Stadt. Sie konzentriert sich über der United Nations Plaza am New Yorker East River. Dort erhebt sich das imposante Hauptquartier der Vereinten Nationen, das wie ein Handyakku aussieht, der auf der Kante steht. Im »Glaspalast«, so die Bezeichnung für das Headquarter der UN, wurden in den letzten Jahrzehnten legendäre Reden gehalten: Am 12. Oktober 1960 beispielsweise vom sowjetischen Regierungschef Nikita Chruschtschow, der im Verlauf seiner Ansprache völlig die Contenance verlor und am Ende seinen Schuhen auf das Pult stellte – manche Beobachter sagen, er habe den Schuh benutzt wie ein Auktionator den Hammer. Weniger testosterongeschwängert, jedoch keineswegs weniger eindringlicher haben hier die Päpste gesprochen, die sich als Oberhäupter der katholischen Kirche an die UN-Vollversammlung und damit an die gesamte Welt wandten. 1965 redete Paul VI. im Glaspalast und lieferte ein leidenschaftliches Plädoyer für Frieden und Versöhnung, das in den mitreißenden Rufen gipfelte: »Nie wieder Krieg! Nie wieder Krieg! Nie wieder Krieg!« Papst Johannes Paul II. war sogar zweimal zu Besuch und nutzte die Bühne, um sein ganzes Talent als Redner und Charismatiker auszuspielen. Er ballte die Faust, verzog das Gesicht, wurde leise und laut, kurz: Johannes Paul II. hielt eine mitreißende Ansprache. Manch einer im Auditorium hat nun diese Auftritte im Hinterkopf, als am 18. April 2008 der dritte Papst zu Gast ist, Benedikt XVI. Seine Rede ist »Benedikt pur«. Gelehrt, präzise, leise. Benedikt spricht, wie ein defensiver Mittelfeldspieler spielt: unscheinbar, effektiv und mit der Präzision eines Chirurgen. Es ist eine Rede, die den Unterschied zu seinen Vorgängern buchstäblich in Worte fasst: Wo Johannes Paul II. emotional wurde, bleibt Benedikt XVI. rational. Wo Paul VI. leidenschaftliche Worte fand, sucht der deutsche Papst nüchterne Gedanken. Nach der Ansprache sind nicht wenige enttäuscht, manche sprechen von einer verpassten Chance. Erst einige Zeit später beginnen die positiven Einschätzungen zu überwiegen, Gernot Erler hat Benedikts Auftritt sogar in einem eigenen Buch als bahnbrechend gewürdigt. Der SPD-Grande bezieht sich auf die Stelle, in der der Papst auf die »R2P« (»Responsibility to Protect«) zu sprechen kommt. Die sogenannte »Schutzverantwortung« bezeichnet die Pflicht, bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Brüchen des Völkerrechts einzuschreiten. Als westliche Truppen unter der Führung Frankreichs entscheidend halfen, Libyens Diktator Gaddafi zu stürzen, stützte sich der Sicherheitsrat auf die »R2P« und verabschiedete am
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