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Franziskus, der neue Papst (German Edition)

Franziskus, der neue Papst (German Edition)

Titel: Franziskus, der neue Papst (German Edition)
Autoren: Simon Biallowons
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gebeten: »Tu mir dies nicht an!« Akzeptiert hat Ratzinger die Wahl trotzdem und seinen Gehorsam wie Augustinus als Dienst begriffen. Diesen Dienst hat er anders versehen als sein polnischer Vorgänger. Johannes Paul II. gab seinen Körper und zuletzt sein Leben für seinen Dienst, verschmolz mit dem Amt. Im wahrsten Sinne des Wortes verkörperte er die alte Auffassung, der Körper des Papstes gehöre nicht nur ihm, sondern der gesamten Kirche und Gott. Wojtylas Dienst endete mit seinem Leben, Dienst und Dasein fielen im letzten existenziellen Moment ineinander. Benedikt XVI. hat diese Auffassung vom Dienen und dem Papstamt nicht geteilt. Immer wieder hat er als Glaubenspräfekt seinem polnischen Freund zum Rücktritt geraten. Als aus ihm am 18. April der Nachfolger Johannes Paul II. geworden war, ist er dem polnischen Pontifex in vielen Hinsichten gefolgt, in dieser indes nicht. Benedikt XVI. hat seine ganz eigene Art gefunden, »Servus servorum Dei«, »Diener der Diener Gottes« zu sein. Es ist ein Paradox, dass der Pontifex, der mit päpstlichen Machtinsignien wie der Camauro-Pelzmütze oder dem Hermelinmantel wie die Wiederkehr eines Renaissance-Papstherrschers aussah, dass ausgerechnet dieser Papst eine besondere Demut und Bescheidenheit an den Tag legte. Als habe Benedikt XVI. stets einen Namensvetter im Hinterkopf gehabt, den Bettelmystiker Benoît Joseph Labre (1748–1783). Ratzinger wurde an dessen Todestag geboren und seine Mutter soll Labre sehr geschätzt haben. In Rom wird Labre sogar als Volksheiliger verehrt, seine Kirche im Stadtteil Monti ist eine der beliebtesten der Stadt. An seinem 85. Geburtstag lobte Benedikt XVI. den Bettelmystiker dafür, dass er gezeigt habe, dass Gott allein genüge, »dass über alles hinaus, was es in dieser Welt geben mag, was wir brauchen und können, das Entscheidende, das Wesentliche« sei, Gott zu kennen. Sein französischer Namensvetter tauge zwar nicht im eigentlichen Sinne als Vorbild, zu radikal sei seine Lebensweise gewesen. Und mit Sicherheit wäre es übertrieben, den Bettelheiligen als einen Fixstern für den Heiligen Vater zu beschreiben. Trotzdem hat der Papst die Demut und Gottzentriertheit eines Labres gezeigt und damit seine eigene, persönliche Art gefunden, das Petrusamt auszuüben. Er hat es vielleicht nicht »ent-mythologisiert«, wie manche Experten geschrieben haben. Aber mit Sicherheit hat Benedikt XVI. das Papstamt »ent-dramatisiert« und ihm die Theatralik genommen. Johannes Paul II. hatte mit dieser Theatralik Erfolg, Benedikt XVI. ohne sie. Nicht große Gesten oder aufsehenerregende Auftritte, sondern Demut und Bescheidenheit wurden zu seiner Corporate Identity. Benedikt XVI. hinterlässt die Gewissheit, dass auch oder sogar gerade ein »einfacher und bescheidener Arbeiter im Weinberg des Herrn« das höchste Amt der Kirche ausfüllen kann.
    Die Zurückhaltung Benedikts XVI. entsprach seinem Amtsverständnis und vor allem seinem Charakter. Er bildete damit einen Kontrast zu anderen Mächtigen aus Politik oder Wirtschaft, das kam bei vielen Menschen gut an. Bei vielen, nicht bei allen. Ein Klassiker, den Rom-Korrespondenten immer wieder erleben durften, waren lateinamerikanische Gläubige, die nach einer Messe wenig begeistert über den Petersdom schlurften. Buchstäblich ernüchtert hatte sie der Papst. Und besonders italienische Katholiken der »Generazione Giovanni Paolo II.«, die mit Johannes Paul II. groß geworden waren, fanden den Stil des Neuen nicht genug empathisch oder euphorisch. »Il tedesco«, wie sie Kardinal Ratzinger als Glaubenspräfekt genannt hatten, sei »troppo freddo«, zu kalt. Bescheidenheit schön, Demut gut, aber ein wenig »Spettacolo« müsse doch sein. Hatte nicht ebenjener Benedikt XVI. vor seiner Wahl bei der »Pro eligendo«-Predigt gesagt, »Gesten müssten das Herz berühren«? Andere Gläubige störten sich weniger am persönlichen Auftreten Benedikts. Seine Einfachheit im privaten Bereich mochten sie sogar ganz sympathisch finden. Sie sorgten sich eher darum, dass mit dem Deutschen ein Mann an der Spitze der Kirche stand, der offensichtlich wenig mit Macht anfangen konnte. Denn obgleich manche Kritiker versucht haben, seine Bescheidenheit als Koketterie und seine Demut als Mittel zum Zweck zu diskreditieren, so attestieren doch die meisten alten Weggefährten Benedikt XVI. ein höchst distanziertes Verhältnis zur Macht. Kardinal Walter Kaspar, ehemaliger »Ökumeneminister« des Heiligen Stuhls und seit
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