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Franziskus, der neue Papst (German Edition)

Franziskus, der neue Papst (German Edition)

Titel: Franziskus, der neue Papst (German Edition)
Autoren: Simon Biallowons
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vertiefen und in Stille und Gebet zusammenzukommen.« Diese dünne Stimme, das leichte Fisteln, kennt die gesamte Welt, es ist die Stimme von Benedikt XVI. Die Männer um ihn herum gehören zu den Religions- und Konfessionsführern, die hierher zur Basilika des heiligen Franziskus von Assisi gekommen sind, um ein Zeichen im interreligiösen Dialog zu setzen. Eingeladen hatte Benedikt XVI. und die Begegnung damit in die Reihe der von Johannes Paul II. initiierten Weltfriedenstreffen gestellt, es waren außer den sieben insgesamt etwa 300 Vertreter von zwölf Religionen aus mehr als 50 Ländern anwesend. Am ersten Treffen 1986 hatte der damalige Glaubenspräfekt Joseph Ratzinger übrigens gar nicht teilgenommen, zu groß soll seine Skepsis gewesen sein. Dass er nun als Papst das vierte Friedensgebet einberief, zeigt den Stellenwert, den Benedikt XVI. den Religionen als Vermittler und Friedensstiftern zugedachte. In dieser Wertschätzung liegt indes auch eine Gefahr. Nämlich die, das Gespräch der Religionen als sozialen oder politischen Dialog zu sehen und nicht als theologischen. Und in der Tat hat Ratzinger einmal davon gesprochen, dass ein »theologischer« Dialog im strengen Sinne unmöglich sei. Er meinte damit, dass »über die Glaubensentscheidung ein wirklicher Dialog nicht möglich ist, ohne dabei den eigenen Glauben auszuklammern«. Vereinfacht gesagt: Es gibt Dinge, über die kann man nicht im eigentlichen Sinne diskutieren. Erstens, weil der eigene Standpunkt als im Kern wahr vorausgesetzt wird. Zweitens, weil die Entscheidung dafür nicht noch einmal zur Disposition gestellt werden kann. Und drittens, weil jemand nach Ratzinger, wenn er wirklich glaubt, das als absolute Wahrheit glaubt. Diese Entscheidung, dies als Wahrheit anzunehmen und daran zu glauben, das sei einem rationalen Diskurs im strengen Sinn entzogen.
    Ratzinger bezeichnet den interreligiösen Dialog im strengen Sinne als eigentlich nicht möglich und zugleich, und das ist wichtig, den interkulturellen Dialog als notwendig. Dieser sei von entscheidender Bedeutung, weil er »die kulturellen Folgen der zugrunde liegenden Glaubensentscheidung vertieft« und für das praktische Zusammenleben der Kulturen unabdingbar sei. Diese Sichtweise ist auf viel Kritik gestoßen, auch in katholischen Kreisen. In der Tat ist es nicht einfach einzusehen, warum die Glaubensentscheidung nicht noch einmal diskutiert werden kann. Befindet man sich automatisch in der Gefahr eines Zirkels, wenn man seinen Glauben diskutiert und dabei auf die eigene Entscheidung rekurriert? Gerade beim Treffen im Oktober 2011 in Assisi fühlte man sich erinnert an die Geschichte von Franz von Assisi und seiner Diskussion mit Sultan Al-Kamil Muhammad al-Malik. Der heilige Franziskus soll während des Kreuzzuges in das Heerlager des Sultans geritten sein und mit ihm über »den dreifaltigen Gott und den Erlöser aller Menschen, Jesus Christus« gesprochen haben. Am Ende, so berichtet es die Legende, seien beide voneinander beeindruckt gewesen – und danach hätten sie wieder zum dreieinigen Gott und zu Allah gebetet.
    Benedikts Sichtweise auf den interreligiösen und interkonfessionellen Dialog ist deshalb kompliziert. Einerseits hat er deutlicher als seine Vorgänger Unterschiede betont und sich nicht davor gescheut, Grenzen klar zu benennen, manchmal sogar zu weit zu gehen und fast zu provozieren. Jedoch hat er auf seine Art gewissermaßen eine interreligiöse-interkonfessionelle Flurbereinigung betrieben, hat die Hecken und Sträucher der theological and political correctness beseitigt und damit ein Feld geschaffen, auf dem man klarer arbeiten kann. Das hat ihn viele Sympathien gekostet, einerseits. Andererseits hinterlässt Benedikt XVI. seinem Nachfolger in vieler Hinsicht gestärkte Beziehungen zu den anderen Religionen und Konfessionen. Das Verhältnis zum Judentum ist beispielsweise laut Israels Ex-Staatschef Shimon Peres »so gut wie seit Jesu Zeiten nicht mehr«, trotz der schweren Krisen, die durch die Piusbrüder-Affäre oder die Entrüstung um die Karfreitagsfürbitte ausgelöst worden waren. Auch das Gespräch mit den Muslimen hat sich intensiviert, nachdem es zwischenzeitlich infolge der »Regensburger Rede« eher ruhig war. Am Ende des Pontifikats hinterlässt der Papst jedoch einen funktionierenden Dialog mit dem Islam, nicht zuletzt auch deshalb, weil man trotz Gräueltaten wie dem Mord an Bischof Luigi Padovese in der Türkei diplomatisch klug gehandelt hat. Ob
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