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Franziskus, der neue Papst (German Edition)

Franziskus, der neue Papst (German Edition)

Titel: Franziskus, der neue Papst (German Edition)
Autoren: Simon Biallowons
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fähiger auf die Ansprüche von heute zu antworten.«
    Die Struktur und Zuständigkeiten in der Kurie zu verändern, wird höchste Zeit. Mindestens genauso wichtig ist eine Änderung der Atmosphäre, die innerhalb der Vatikanischen Mauern herrscht. Benedikt XVI. hatte zu Beginn seiner Amtszeit den Austausch mit den Leitern der Dikasterien und vor allem Kongregationen institutionalisiert, später aber davon abgelassen. Genau das wäre ein Weg, Missverständnissen vorzubeugen. Noch wichtiger ist es, die Zusammenarbeit und Informationspolitik der einzelnen vatikanischen Behörden untereinander zu verbessern. In Hintergrundgesprächen beklagen viele Vatikan-Angestellte, dass in den Behörden zu hierarchisch gearbeitet werde und sich die Behörden untereinander kaum austauschen würden. Sie existieren nebeneinanderher, was im harmlosesten Fall Synergieeffekte verhindert und im schlimmsten Skandale nicht vermeidet. Das Dossier über den Vatileaks-Skandal, das die drei Kardinäle Julián Herranz, Jozef Tomko und Salvatore De Giorgi für Benedikt XVI. zusammengestellt haben, soll darüber sehr genau Auskunft geben. Es wird nun auch Papst Franziskus vorliegen, der auf dieser Grundlage neue Personal- und Strukturentscheidungen fällen muss. Dazu gehört auch die Vatikan-Bank IOR, um die es nach wie vor zu viele Unklarheiten gibt. Derzeit befindet sie sich unter der Leitung des Deutschen Ernst von Freyberg und es wird sich weisen, ob während des Pontifikats von Papst Franziskus endlich bei der IOR aus der »bad governance« eine »good governance« wird. Zeit wird es. Denn in diesem Fall wie im Fall zahlreicher anderer Skandale oder Irritationen gilt: Es wurde bereits zu viel Kredit verspielt, nicht nur bei der Vatikanbank.
    Ein entscheidender Faktor für die Neustrukturierung der Kurie und den reibungsloseren Ablauf der Vatikan-Politik werden die Personalentscheidungen sein, die Papst Franziskus trifft. Es wird darauf ankommen, ob er die richtige Menschenkenntnis mitbringt, die richtigen Personen an den richtigen Stellen einzusetzen. In der Amtszeit Benedikts war der Konflikt zwischen dem ehemaligen Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano und dessen Nachfolger Tarcisio Bertone ein ständiger Störfaktor. Sodano als erfahrener Repräsentant der diplomatischen Elite des Vatikans und Bertone als ergebener, aber bei weitem nicht so weltläufiger Vertrauter des Papstes rissen tiefe Gräben in die Kurie. Vor dem Konklave wurden beide häufiger miteinander gesehen – es wird interessant sein, ob die beiden aus eigenem Machtinteresse einen vorläufigen Waffenstillstand oder dauerhaften Friedensvertrag geschlossen haben. Franziskus wird nicht nur zwischen den beiden und ihren Anhängern viel Vermittlungsarbeit leisten müssen. Nur so kann das Klima innerhalb des Vatikans verbessert werden. Dazu gehört, dass mehr an die Kirche als an die Karriere gedacht wird. Weniger Ehrgeiz, mehr Ergebenheit. Aber auch die Tatsache, dass Kritik nicht automatisch als Hochverrat gilt, muss endlich erkannt werden, so wie es Pius XII. bereits 1950 angemahnt hatte: »Es würde ihrem Leben etwas fehlen, wenn ihr die öffentliche Meinung mangelte, wofür die Schuld sowohl auf die Hirten wie auf die Gläubigen fiele.« Das nimmt nicht nur die Kurie, sondern jeden Gläubigen in die Pflicht. Karl Rahner hatte das Papstzitat aufgegriffen und in seiner Schrift »Das freie Wort in der Kirche« geschrieben: »Die Menschen der Kirche (die jungen Kleriker, die Laien usw.) müssen zu einem mündigen Gehorsam und zu einem richtigen Gebrauch der öffentlichen Meinung erzogen werden. […] Heute darf die Kirche weniger denn je nach innen oder nach außen auch nur den Eindruck erwecken, als sei sie einer jener totalen Staaten, bei denen die äußere Macht und ein in tödlichem Schweigen geschehender Gehorsam alles und Freiheit und Liebe nichts ist, als seien ihre Regierungsmethoden dieselben wie die der totalitären Systeme, wo die öffentliche Meinung in einem Propagandaministerium gemacht wird.«
    Die Atmosphäre in der Kurie, in der Kirche allgemein muss befreiter sein. Zugleich darf Schweigen nicht grundsätzlich als Vertuschen gelten, Geheimnisverrat nicht automatisch als notwendige Aufklärung. Die Vatikanischen Mauern wieder dichter zu machen, weniger Gerüchte und Einflüsterungen durchsickern zu lassen, ist notwendig.
    Papst Franziskus steht bei der Kurien- und Kirchenreform vor einer Herkulesaufgabe, deren Scheitern für die Kirche ungeahnte Folgen haben
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