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Franny Parker

Franny Parker

Titel: Franny Parker
Autoren: Hannah Roberts McKinnon
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dem Nachbargrundstück Anordnungen zuriefen und Lucas’ Vater aufforderten herauszukommen.
    Ich spitzte die Ohren. Daddy nahm meine Hand.
    »Es kommt schon wieder in Ordnung«, flüsterte Mama, während sie den Kessel aufsetzte. »Es kommt schon wieder in Ordnung.«
    Wir saßen alle am Küchentisch. Pearl und Sidda, Ben und Mama und Daddy und ich. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, so lange saßen wir da und starrten uns an, nicht in der Lage, uns zu bewegen oder etwas zu sagen.
    Plötzlich hörten wir Rufe aus dem Garten. Verzweifelte Rufe, gefolgt von Türenschlagen und anderen Stimmen. Und dann anhaltende, schreckliche Stille. Mein Magen drehte sich um.
    Ben wimmerte und Jax stand auf, um ihm das Gesicht zu lecken.
    Schließlich kam einer der Beamten an unsere Haustür.
    »Wir haben das Grundstück abgesichert«, sagte er. »Entwarnung.«
    Mama sprang auf. »Mutter und Sohn?«
    »Es geht ihnen gut«, sagte er. »Wir nehmen sie mit auf die Wache.«
    Und damit war es plötzlich vorüber. Mama barg das Gesicht in Bens Haar und ihr Körper bebte ein paarmal, dann fing sie an zu schluchzen. Daddy legte die Arme um beide und Pearl lief zum Telefon, um ihre Mutter anzurufen.
    Ich musste es mit eigenen Augen sehen. Ich rannte auf die Veranda und war schon fast die Stufen hinunter, ehe Daddy mich einholte. Er packte mich am Arm. Zwei Polizeiautos brausten aus der Einfahrt.
    »Lucas hat es nicht getan!«, brüllte ich und versuchte, mich freizumachen.
    Aber Daddy ließ mich nicht los, bis wir wieder auf der Veranda waren und die Einfahrt leer war. Erst jetzt beugte er sich herunter und sah mir fest in die Augen.
    »Franny, es kommt wieder in Ordnung.«
    »Wo bringen sie sie hin?«
    Er sah die Straße entlang. »Aufs Revier. Sie müssen ihnen Fragen stellen. Rausfinden, was passiert ist. Es ist jetzt alles vorbei.«
    Aber da täuschte sich Daddy. Es war nicht alles vorbei. Ein Versprechen konnte ich noch halten.

Verloren und wiedergefunden
    S obald die Polizei- und Feuerwehrautos weg waren, ging Pearl heim, und wir taumelten alle in die Betten. Als das Haus endlich still war, schlich ich mich hinaus und durch den verkohlten Garten.
    Die Tür knarrte, als ich die Töpferwerkstatt betrat. Es sah alles so aus wie immer. Lindys Brennofen stand in der dunklen Ecke wie ein dickbäuchiger alter Mann. Ihre Vasen und Schalen waren auf den Regalbrettern aufgereiht und die Werkbank war mit Versandschachteln übersät. Ich suchte den Boden der Werkstatt ab. Was hat Lucas gemeint?, fragte ich mich. Als ich mich wieder zum Gehen umdrehte, fiel es mir auf. Hinter der Tür. Ein kleiner Beutel mit Reißverschluss und dem Aufdruck »Harlands Supermarkt«.
Ach Lucas
, dachte ich.
    Ich zog mein Rad unter der Veranda hervor und radelte schnell die Einfahrt entlang, den Beutel im Fahrradkorb. Obwohl so viel geschehen war, war es erst acht Uhr morgens. Das Stadtzentrum war leer und gespenstisch still. Ich bog in die Hauptstraße, fuhr an der Bücherei vorbei, am Tierfutterladen, am Rathaus. Alle Fenster waren noch dunkel und dieRollläden waren heruntergelassen wie schläfrige Augenlider. Die ersten Sonnenstrahlen tauchten über den Dächern auf, krochen über die dämmrigen Gebäude und übergossen sie mit einem goldenen Leuchten. Am Nordende des Parks funkelte Grandma Raes Kirchturm wie ein Leuchtturm, der mich die Straße entlanglotste. Ich radelte am Park vorbei. Das Gras glitzerte im Morgentau und der Morgennebel hob sich träge in die Höhe. Etwas war anders. Die staubige Augustluft war erfrischt und kühl und feucht von den Tropfen des Gewitters. Der Regen hatte den ganzen Staub, die rissige Erde, den verkrusteten Boden gewaschen und alles durchtränkt und feucht und glänzend zurückgelassen. Es roch nach Natur, nach Erde, nach Leben.
    Harlands Supermarkt war noch geschlossen, aber im hinteren Teil waren die Lichter an, wie ich beim Heranradeln sah. Durch den regenfrischen Duft in der Luft kam noch etwas anderes geweht, etwas aus Menschenhand. Frisches Brot. Der Duft erfüllte die Luft und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Ich musste mich an den Bäckern, die schon lange auf waren, vorbeischleichen.
    Ich lehnte das Rad hinter einem grünen Müllcontainer an das Gebäude und nahm den Beutel aus dem Korb. Jetzt oder nie.
    In der Küche befanden sich ein älterer Bäcker und eine jüngere Bäckerin. Die Jüngere pfiff beim Arbeitenlaut vor sich hin. Beide hatten Schürzen um und wandten mir den Rücken zu, während sie einen Rollwagen
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