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Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine

Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine

Titel: Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine
Autoren: Don Winslow
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einfach nur im Weg, und du weißt es.
    Also setzt er sich an sein Kreuzworträtsel – auch so ein Geschenk von Herbie, denn der hat ihn auf den Geschmack gebracht. Herbie ist ihm in den letzten Tagen öfter durch den Kopf gegangen und an diesem Morgen schon wieder.
    Vielleicht liegt das an dem Sturm, denkt er. Stürme bringen Erinnerungen zurück, wie das Treibholz, das sie anschwemmen. Dinge, die man längst vergessen hatte, und plötzlich kommen sie zurück – alt und abgewetzt, aber sie sind wieder da.
    Er sitzt also über dem Rätsel, denkt an Herbie und wartet auf die Herrenrunde.
    Die Herrenrunde ist eine feste Institution an jedem kalifornischen Surfstrand. Gegen halb neun oder neun machen die jungen Surfer den Leuten mit flexibleren Tagesabläufen Platz. Dann setzt sich die Klientel aus Ärzten, Anwälten, Grundstücksspekulanten, frühpensionierten Beamten, ein paar Lehrern im Ruhestand zusammen – Herren eben.
    Diese Sorte Surfer ist offenkundig älter, meist mit Longboards und einem schlichteren Surfstil versehen, eher aufs Vergnügen als auf Rekorde bedacht, und viel höflicher. Keiner hat es besonders eilig, keiner steigt einem in die Welle, und keiner ist sauer, wenn er mal nicht zum Zuge kommt. Alle wissen, dass es auch morgen und übermorgen noch Wellen gibt. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Meistens hängen sie draußen rum im Line-up, oder sie stehen am Strand und schwindeln sich gegenseitig was von Monsterwellen und spektakulären Wipeouts vor und erzählen Storys aus den guten alten Zeiten, die mit jeder Wiederholung immer noch besser werden.
    Sollen die Kids das doch die »Rentnerrunde« nennen – was wissen die schon?
    Das Leben ist wie eine saftige Orange, denkt Frank. In der Jugend presst du schnell und kräftig, um möglichst viel Saft rauszuholen. Wirst du älter, presst du langsamer, um jedenTropfen zu genießen. Erstens, weil du nicht weißt, wie viele Tropfen noch kommen, zweitens, weil die letzten Tropfen am besten schmecken.
    Das denkt er gerade, als es drüben am Geländer zu Streitigkeiten kommt.
    Na fein, das gibt Gesprächsstoff für die alten Herren, denkt er sich, und geht nachsehen, was dort los ist. Ist mal wieder typisch: Ein Harpunenmann und ein Vietnamese haben denselben Fisch erwischt und kriegen sich nun in die Haare, wer ihn zuerst gefangen hat – ob der Harpunenmann ihn getroffen hat, als er schon am Haken des Vietnamesen hing, oder ob der Vietnamese ihn geangelt hat, als er schon vom Pfeil des Harpunenmanns durchbohrt war.
    Der arme Fisch schaukelt in der Luft, am Scheitelpunkt eines dramatischen Dreiecks, während beide Opponenten wie wild an ihrer Leine zerren. Mit einem Blick erkennt Frank, dass der Vietnamese im Recht ist, weil sein Haken im Fischmaul steckt. Denn dass der Fisch, nachdem er von einem Pfeil durchbohrt wurde, noch Appetit auf einen leckeren Wurm entwickelt hat, hält Frank für wenig wahrscheinlich.
    Aber der Harpunenmann zieht den Fisch mit einem kräftigen Ruck zu sich rüber.
    Der Vietnamese brüllt ihn an, Zuschauer sammeln sich, und der Harpunenmann sieht aus, als wollte er ihn vom Pier schubsen, was er ohne weiteres könnte, denn er ist groß und kräftig, größer noch als Frank.
    Frank schiebt ein paar Zuschauer beiseite und stellt sich zwischen die beiden Streithähne.
    »Das ist sein Fisch«, sagt er zum Harpunenmann.
    »Spinne ich? Wer bist du denn?«
    Eine außergewöhnlich dumme Frage. Er ist Frank, der Mann vom Angelladen, und jeder, der auf dem OBP fischt, weiß das. Jeder, der sich hier auskennt, weiß auch, dassFrank, der Mann vom Angelladen, zu den Sheriffs auf dem Pier gehört.
    Weil es nämlich überall am Meer – ob Strand, Pier oder Welle – ein paar »Sheriffs« gibt, gestandene Kerle, die für Ordnung sorgen und Streitigkeiten schlichten. Am Strand ist das meistens der Rettungsschwimmer – schon etwas älter und bekannt für seine Heldentaten. Draußen auf dem Lineup macht das der eine oder andere, der diesen Break schon seit Urzeiten reitet.
    Auf dem Ocean Beach Pier macht es Frank.
    Mit einem Sheriff streitet man nicht. Man kann seine Meinung sagen, man kann sein Leid klagen, aber man rüttelt nicht an der Entscheidung des Sheriffs. Und schon gar nicht fragt man ihn, wer er ist, weil man das einfach weiß. Nicht zu wissen, wer der Sheriff ist, stempelt einen automatisch zum Außenseiter ab, der sich schon deshalb ins Unrecht setzt, weil er keine Ahnung hat.
    Und der Harpunenmann sieht eindeutig nach East County aus,
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