Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine

Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine

Titel: Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine
Autoren: Don Winslow
Vom Netzwerk:
denkt.
    Und wir dachten damals, diese Sommer würden niemals enden.
    Nie hätten wir gedacht, dass uns die Kälte in die Knochen fahren würde.

    Zwei Minuten nachdem er geöffnet hat, kommen die ersten Angler.
    Die meisten kennt er – das sind seine OBP-Stammkunden, die vor allem werktags kommen, wenn die Wochenend-Angler zur Arbeit müssen. An einem Dienstagmorgen kommen also Pensionäre, die über fünfundsechzig, die nichts Besseres zu tun haben, als sich bei Kälte und bei Nässe auf den Pier zu stellen und zu angeln. Außerdem, und in den letzten Jahren mehr und mehr, kommen die Asiaten, meistenteils Vietnamesen, auch ein paar Chinesen und Malaysier – Leute mittleren Alters, für die das Angeln Arbeit ist. Auf diese Weise sorgen sie für einen gedeckten Tisch und staunen jedesmal von neuem, dass sie das fast umsonstdürfen – sich einen Angelschein kaufen, ein bisschen Köder, die Schnur ins Wasser hängen und ihre Familie von den Schätzen des Meeres ernähren.
    Aber was soll’s, denkt Frank. Haben das die Einwanderer nicht immer so gemacht? In der Zeitung hat er gelesen, dass die Chinesen um 1850 hier eine ganze Flotte von Fischereidschunken unterhielten, bis die Einwanderungsgesetze Schluss damit machten. Dann kamen mein Großvater und die anderen Italiener, bauten ihre Thunfischflotte auf oder tauchten nach Seeohren. Und jetzt sind wieder die Asiaten dabei, ihre Familien aus dem Meer zu ernähren.
    Da haben wir also die Rentner, die Asiaten und dazu noch die jungen Weißen, meist Fabrikarbeiter, die von der Nachtschicht kommen, den Pier für ihr angestammtes Revier halten und sich über die asiatischen »Anfänger« ärgern, die ihnen »ihre Stellen« wegnehmen. Etwa die Hälfte von denen benutzen gar keine Angel, sondern nur die Harpune.
    Das sind keine Angler, denkt Frank, das sind Jäger, die warten, bis etwas im Wasser aufblitzt, und dann einen Bolzen abschießen, an dem die lange Schnur hängt, damit sie die Fische hochziehen können. Und es passiert immer mal wieder, dass sie einem Surfer, der am Pier aus dem Wasser kommt, mit ihrem Schuss zu nahe kommen. Deshalb hat es schon öfter Krach gegeben, und zwischen den Surfern und den Harpunenjungs gibt es reichlich Spannungen.
    Frank mag keine Spannungen auf seinem Pier.
    Fischen und Surfen sollen Spaß machen, keinen Stress. Der Ozean ist groß, Jungs, und hat Platz für alle.
    Das ist Franks Philosophie, und jeder, der sie hören will, kriegt sie zu hören.
    Alle mögen Frank, den Mann vom Angelladen.
    Die Stammkunden mögen ihn, weil er immer weiß, welche Fische da sind und womit man sie ködert, und er verkauft einem nie einen Köder, von dem er weiß, dass er nichtsbringt. Die Gelegenheitsangler mögen ihn aus denselben Gründen und weil sie, wenn sie sonnabends ihren Jungen mitbringen, sicher sein können, dass er ihm das richtige Angelzeug mitgibt und ihm eine Stelle sucht, wo er was fängt, selbst wenn die Stammkunden ein Weilchen warten müssen. Und die Touristen mögen Frank, weil er immer ein Lächeln und einen flotten Spruch für sie übrig hat und ein Kompliment für ihre Frauen, das vielleicht ein bisschen anzüglich ist, aber niemals plump.
    Das ist Frank, der Mann vom Angelladen, der seinen Angelschuppen zu Weihnachten ausschmückt wie das Rockefeller Center, der sich zu Halloween verkleidet und jedem, der reinkommt, Süßigkeiten schenkt, der Jahr für Jahr einen Angelwettbewerb für Kinder veranstaltet und jedes Kind, das mitmacht, einen Preis gewinnen lässt.
    Die Leute mögen ihn, weil er eine Junior-Baseballmannschaft sponsert, weil er für die Trikots der Fußballjugend spendet, obwohl er Fußball hasst und nie zu den Spielen geht, weil er bei jeder Aufführung des Schülertheaters Werbefläche kauft und weil er die Basketballringe im Stadtpark bezahlt hat.
    Heute Morgen versorgt er seine frühen Kunden mit Köder, dann kommt die übliche Flaute, so dass er Ruhe hat und den Surfern zusehen kann, die schon auf dem Frühtrip sind. Das sind die jungen Heißsporne, die eine Runde einlegen, bevor sie zur Arbeit müssen. Vor ein paar Jahren wäre ich das gewesen, denkt er mit einer leisen Anwandlung von Eifersucht. Dann muss er über sich selbst lachen. Vor ein paar Jahren ? Vergiss es! Diese Kids mit ihren Shortboards und ihren Cutback-Manövern. Wenn du wirklich so was versuchst, verrenkst du dir den Arsch und musst eine Woche im Bett bleiben. Du bist zwanzig Jahre davon entfernt, mit diesen Kids mitzuhalten – du wärst ihnen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher