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Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)

Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)

Titel: Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)
Autoren: Dori Mellina
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mit der Aufschrift „ Campioni del mondo ´82“ (Fußball-Weltmeister 1982) hing von der Decke
herunter (wusste Gino überhaupt, dass Italien in der Zwischenzeit wieder
Weltmeister geworden war?).
    Pokale,
Medaillen und sonstiger Plunder, der sich im Laufe der Jahre angesammelt hatte,
reihten sich auf Regalbrettern. Ja, das kannte ich aus meiner Kindheit. Jede
Bar in Italien, die etwas auf sich hält, stellt Trophäen unterschiedlicher
Größen und Farben zur Schau. Meistens handelt es sich um Errungenschaften des
Stammgast-Vereins bei Boccia-Turnieren oder Kartenspielen, für die sich jedoch
keiner mehr interessiert und die irgendwann nur als Staubfänger dienen.
    Gino hatte
im Laufe seines Lebens offensichtlich auch viele Boccia-Turniere gewonnen,
worauf er stolz war.
    Alles in
allem war Ginos Lokal eine heruntergekommene Horrorgrube gefüllt mit altem
Krimskrams. Kein Wunder, dass hier keiner seinen Cappuccino trinken wollte!
    Und das
sollte unser erster Auftrag sein? Es wäre einfacher gewesen, alle italienischen
Männer zu einer Geschlechtsumwandlung zu überreden als diesen Laden voll zu
bekommen!
      „Schau mal, “ flüsterte Michela hinter Ginos
Rücken und deutete auf die zentimeterdicke Staubschicht auf die Regalbretter
mit den Pokalen „Original- 80er-Jahre Staub!“. Ich warf ihr einen besorgten
Blick zu.
    „All das“,
sagte jetzt Gino mit feuchten Augen, “ habe ich mir all die Jahre aufgebaut.
Und jetzt…“, hier musste Gino kräftig ins Taschentuch schnäuzen „ …und jetzt
will keiner mehr hierher kommen“.
    „Gino…“,
fing ich vorsichtig an und rührte in dem Glas Martini, das uns Gino
freundlicherweise kredenzt hatte. Verdammt, wie sagt man einem Landsmann, der
vor vielen Jahren seine Heimat mit einem einzigen Koffer und viel Hoffnung
verlassen hatte, dass er am besten jenen Koffer wieder raussuchen und sich
schnell wieder auf den Rückweg machen sollte? Ginos Lokal hinkte mindestens
dreißig Jahre hinterher und hatte im Vergleich zu den neuen Schicki - Micki -Läden in München überhaupt keine Chance. Das musste
ihm mal jemand sagen. Wahrscheinlich war ich dieser Jemand.
    „Alle gehen
ins das neue Lokal um die Ecke“, heulte Gino. „Viel Chrom, viel Plexiglas [6] ,
aber wo bleibt da die Wärme? Wo die Gemütlichkeit? Weißt Du, was Helmut Fischer [7] immer sagte, wenn er herkam?“.
    Helmut
Fischer kam hierher??
    „Äh, nein,
was sagte er?“, fragte ich.
    „Er sagte,
Gino, wenn ich zu Dir ins Lokal komme, wird mir warm ums Herz, das sagte er. Era cosí gentile Älmut … [8] “,
schluchzte er in sein Taschentuch. So wie er da saß, mit seinem dicken Bauch
und den viel zu kurzen Armen, konnte er einem richtig leid tun.
    „Gino…“,
fing ich an und wusste nicht so recht, was ich sagen soll.
    „Gino!“, schrie
nun Michela und haute mit ihrer Faust auf den Tisch „ Ma stai scherzando? [9] “
    Wir
schreckten beide hoch. Was war in Michela gefahren? Hatte sie eine Kakerlake
gesehen? Hatte sie den Verstand verloren?
    „Das hier
ist eine Goldgrube!“, rief sie euphorisch.
    Ok, sie
hatte den Verstand verloren.
    „Noch nie
etwas von Revival gehört? Wieso glaubt Ihr, dass die Leute wieder Vespas kaufen und Retro-Helme anziehen?“, fragte sie uns
und schaute in unsere verdutzten Gesichter. Unsicher wechselten Gino und ich
über die Messing-Amphore mit der Plastikblume, die den Tisch dekorierte, einen
raschen Blick. Man konnte sehen, uns beide quälte dieselbe Frage: Wer ruft den
Krankenwagen?
    Michela
stand auf und schaute sich mit Kennermiene um. Zur Feier des Tages hatte sie
sich als hartgesottene Geschäftsfrau verkleidet: Anthrazitgraues Kostüm, weiße
Bluse und hochhackige, aber völlig nüchterne Schuhe. Ein strenger Haar-Knoten
und eine humorlose Hornbrille, von der ich wusste, dass sie ein Fake war, vervollständigten das Outfit. Wie gesagt, Michela
hatte eine heimliche Schwäche für alles, was sachlich und pragmatisch war.
      „ Siiiiiii …. sí , sí , siiiiiii “,
sagte sie jetzt gedehnt und schlug sich das Olivenstöckchen wiederholt in die
Hände (sie schaut eindeutig zu viele Vorabend-Serien) „Hier kann man etwas
machen“.
    Ja, dachte
ich, hier kann man wirklich etwas machen, zum Beispiel Feuer legen und die
Versicherungsgesellschaft anrufen (und beten, dass sie nicht dahinter kommen).
Oder: Wasserhahn aufdrehen und einkaufen gehen. Oder…
    „ No , no , davvero [10] “,
unterbrach sie jetzt meine kriminellen Gedanken. Nicht, dass ich zu
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