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Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten
Autoren: Linwood Barclay
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mühsam nachrechnete. Er sah aus wie ein Höhlenmensch, der sich den Kopf zerbrach, wie man mit einem Smartphone fotografierte. Dann sagte er zu Keisha: »Du hast mir doch erzählt, du hast nur einen Tausender gekriegt.«
    Keisha zuckte die Achseln. »Erwischt.«
    Um sie würde Kirk sich später kümmern. Zu Justin sagte er: »Sie wollen also fast fünf Riesen, sonst gehen Sie zu den Bullen und sagen, Keisha hat Garfield umgebracht.«
    »Gut gemacht«, sagte Justin, als rede er mit einem Fünfjährigen. »Das gibt ein Fleißbildchen.«
    »Und Sie glauben, die geben wir Ihnen einfach so?«
    »Meinen Sie nicht, dass es dumm wäre, es nicht zu tun? Ein anonymer Anruf bei der Polizei, und schon sind die da. Und wenn Sie ihr geholfen haben, das Ganze unter den Teppich zu kehren, dann macht Sie das zum Komplizen. Also ist es auch in Ihrem Interesse, dass alles unter uns bleibt.« Er wartete auf eine Antwort. »Hallo?«
    »Ja, ja. Schon kapiert.« Kirk kam jetzt ganz ins Wohnzimmer und pflanzte sich direkt vor Justin auf, was diesen zwang, nach hinten auszuweichen. »Tja, da haben Sie ja richtig Glück, denn rein zufällig hab ich das Geld bei mir.«
    Nicht unbedingt das, was Keisha erwartet hatte. Entgeistert sah sie ihn an.
    »Kein Scheiß?«, sagte Justin wie ein Junkie ein paar Sekunden vor dem nächsten Fix. »Das war ein Witz, oder? Kein Mensch trägt so viel Geld spazieren. Ich hätte Ihnen schon zwei Tage Zeit gegeben, es zu besorgen.«
    »Nein, nein, ich hab’s«, sagte Kirk, griff nach hinten und zog das Bündel Scheine heraus, das Gail Keisha gegeben hatte.
    »Leck mich«, sagte Justin, der seinen Augen nicht traute, als Kirk die Scheine mit zwei Händen vor ihm auffächerte.
    »Fünfhundert behalte ich, weil das hier sind fünf Riesen«, sagte Kirk.
    »Scheiße, haben Sie ’ne Bank ausgeraubt, oder was?« Justin konnte den Blick nicht von dem Geld abwenden.
    Kirk nahm die fünfhundert und steckte sie sich in die Vordertasche seiner Jeans. Das übrige Geld hielt er Justin hin, und just als dieser es nehmen wollte, ließ Kirk es fallen. Es flatterte wie riesiges Konfetti zu Boden.
    »Oh Scheiße, ich dachte, Sie haben sie schon«, sagte Kirk.
    »Hey, kein Problem«, sagte Justin und bückte sich, um die Scheine einzusammeln.
    Kirk riss ein Knie hoch und traf Justin auf die Nase.
    »Verdammt!«, schrie der und taumelte nach hinten. Er schlug beide Hände vors Gesicht, Blut tropfte ihm zwischen den Fingern durch. »Was soll das?«
    Kirk kam auf ihn zu, und Justin versuchte, ihn mit einer Hand abzuwehren, indem er ihn vor die Brust stieß. Kirk blickte nach unten, sah die Flecken, die Justins blutige Hand auf seinem Hemd hinterlassen hatte, und stieß jetzt seinerseits den Jüngling kräftig vor die Brust. Justin prallte mit dem Rücken gegen die Wand rechts von dem Regal, in dem die neuen Reifen für Kirks Pick-up ausgestellt waren.
    »Glaubst du, du kannst hierherkommen und so ’ne Scheiße abziehen?«, sagte Kirk. »Glaubst du, dass ich dir das Geld einfach so in die Hand drücke?«
    »Tun Sie mir nichts!«, kreischte Justin. »Ich glaube, Sie haben mir die Nase gebrochen! Scheiße noch mal!«
    »Ich werde dir jeden einzelnen Knochen im Leib brechen, du Arsch, wenn du glaubst, du gehst hier auch nur mit einem einzigen Cent raus.«
    »Ich geh zur Polizei!«, rief Justin. »Die Bullen werden hier alles auseinandernehmen.«
    Kirk ging wieder auf ihn zu und legte dem Erpresser die Hände um den Hals, genau so, wie er es ein paar Stunden zuvor bei Keisha getan hatte.
    Justin keuchte. »Ich krieg …«
    Jetzt war er es, der sein Knie zum Einsatz brachte. Schnell und mit voller Wucht rammte er es Kirk in die Hoden.
    »Scheiße!«
    Kirk ließ Justin los und krümmte sich zusammen. Er legte die Hände zwischen die Beine, der Schmerz schoss ihm durch den ganzen Körper. Er machte einen Schritt nach links hinten.
    Justin riss den rechten Arm hoch, schob die Hand zwischen die Wand und das Regal und drückte es nach vorn. Er musste eine Schulter zu Hilfe nehmen. Die Reifen waren schwer, fast so schwer, als wäre das Regal von oben bis unten mit Büchern vollgestellt. Es gab mehrere Faktoren, die sich zu Justins Vorteil auswirkten: Das Regal war instabil. Das lag zum Teil an der wackeligen Konstruktion, aber auch daran, dass Kirk seine Reifen in Augenhöhe haben wollte, um sie auch richtig genießen zu können. Er hatte also zwei auf das mittlere und zwei auf das oberste Brett gestellt, das unterste jedoch frei gelassen.
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