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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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hatte vorsingen müssen: »Befiehl du deine Wege …«
    Ich fürchtete schon, dies könnte auf meine neue Stimmung schlagen, doch im Gegenteil: während Miroul und Samson sangen, begann auch ich leise vor mich hin zu summen, ohne daß sich mir die Kehle zusammenschnürte, ohne Tränen und ohne Schmerz.
    Der Anstieg zog sich hin, und Miroul sang alle Strophen; er kannte sie auswendig, weil er sie in der Kammer der kleinen Hélix so viele Male gesungen. Als er schließlich die letzte Strophe geendet hatte, bat ich ihn, dieselbe zu wiederholen, und sobald er sie angestimmt, sang ich mit ihm aus voller Kehle, nach vorn geneigt in meinen Steigbügeln stehend, während mein lieber Bruder Samson mich lächelnd ansah.
    Mach End’, o Herr, mach Ende
    mit aller unsrer Not;
    stärk unsre Füß’ und Hände
    und laß bis in den Tod
    uns allzeit deiner Pflege
    und Treu’ empfohlen sein,
    so gehen unsre Wege
    gewiß zum Himmel ein.
     
    Die Steigung mündete in eine Ebene, während wir diese Strophe sangen, und ich bedeutete Miroul, seine Viole zu schultern und von Samson wieder das Halfter des Packpferdes zu übernehmen. Sobald er das getan, wandte ich mich an Samson:
    »Merkst du, wie gut das Laub riecht und das frische Gras, Samson?«
    »Ich merke es«, sprach Samson, froh darüber, daß ich mein Schweigen aufgegeben. »Das macht die frühe Morgensonne, sie trocknet den kleinen Regen von heute nacht.«
    »Samson, ist Montpellier größer als Sarlat?«
    »Viel größer und viel schöner.«
    »Schön muß es wohl sein, wenn einem die Mädchen dort Augen machen und sich so liebreizend den Hals verrenken.«
    »Was soll das?« fragte Samson mit seinem Lispeln, das mir so sehr gefiel.
    »Samson«, stichelte ich, »wirst du auch nicht vergessen blankzuziehen, wenn man uns angreift?«
    »Ich werde es nicht vergessen.«
    »Und wirst du nicht säumen, deine Pistolen aus der Sattelhalfter zu reißen?«
    »Ich werde nicht säumen«, sprach Samson strahlend und lachte.
    »Der Weg steigt nicht mehr an, Samson, und der Boden ist sandig. Wie wär’s mit einem kleinen Galopp?«
    »Nur zu, wenn du willst!« Ich wandte mich zu Miroul:
    »Galopp, Miroul? Bist du bereit?«
    »Meine Araber, Herr und Gebieter, folgen Euch bis ans Ende der Welt!«
    Ich galoppierte, und Samson galoppierte, und hinter uns galoppierte Miroul mit seinen beiden Arabern, in der erhobenenHand das Halfter haltend, die Zügel in der anderen. Pfeilschnell flogen rechts und links die Zweige der Bäume an uns vorbei, warm und lebendig spürte ich meine Acla unter mir, und mit einem Male erfüllte mich wieder neue Hoffnung, leuchtend wie das junge Grün.

ANMERKUNGEN
     
    1. Der Leser, der mehr über Sarlat erfahren möchte, sei auf die ausgezeichneten Arbeiten von Jean Maubourguet hingewiesen, insbesondere auf das dreibändige Werk
Sarlat et le Périgord méridional
(her ausgegeben von der Société Historique du Périgord).
     
    2. Nostradamus (1503–1566), der allein dank königlicher Protektion einem Hexenprozeß entging, den die Kirche ihm nur zu gern gemacht hätte, war mit Hingabe Arzt und zugleich – in den gereimten Prophezeiungen seiner
Centuries astrologiques
– Wahrsager. Der Vierzeiler, in dem er den tödlichen Unfall Heinrichs II. mit verblüffender Genauigkeit vorauszusagen schien, trug ihm sehr großes Ansehen ein. Es ist nicht sicher, ob seine Weissagung über Heinrich von Navarra (»Der dort wird das ganze Erbe antreten«) allein zu Nutzen der Hugenotten erfolgt war. Wie lassen sich sonst die Gunstbezeigungen und die Gelder erklären, mit denen ihn Katharina von Medici zu ebendiesem Zeitpunkt überhäufte? Freilich hatte Nostradamus auch ihrem Lieblingssohn, dem späteren Heinrich III., vorausgesagt, daß er »glücklich in seinem Leben und glücklich in seiner Regierung« sein werde: eine durch die Geschichte grausam widerlegte Prophezeiung.
     
    3. Die Memoiren des Vieilleville, Gouverneur der Provinz Ile-de-France, von denen im Fünften Kapitel die Rede ist, wurden nicht von Vieilleville, sondern von einem Geistlichen aus seiner Umgebung geschrieben, der die Rolle seines Herrn im besten Lichte darstellen wollte. Dennoch enthalten sie viele zutreffende Einzelheiten. Obwohl nicht sicher ist, daß Vieilleville sich erkühnte, gegenüber Heinrich II. die von mir erwähnten bissigen Bemerkungen zum Vertrag von Cambrésis zu äußern – diese Vorwürfe waren damals in vielen Herzen lebendig, auch wenn sie nicht oft ausgesprochen wurden.
     
    4. Katharina von
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