Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
Abschluß verlegen. Doch verlegen war er nicht um den Abschluß; vielmehr hatte er noch Dinge zu sagen, die ihm – im Beisein Sauveterres und das eigene Leben vor Augen – heikel dünkten. Schließlich ermannte er sich, und der arglose Samson riß die Augen auf, während Sauveterre die Brauen runzelte und in den Bart brummte, obschon sich mein Vater, zumal am Beginn, halbwegs zerknirscht zeigte.
    »Der folgende Rat, mein Pierre, ist besonders für Euch, aber ich spreche davon auch vor Samson: später vielleicht mag auch er daraus Nutzen ziehen.«
    Er hielt noch einmal inne und fuhr dann fort in einem Ton, der nicht ganz so reumütig war, wie er hätte sein können:
    »Pierre, Ihr habt leider von mir eine Neigung geerbt, Euchgar sehr jenem schönen Geschlecht zuzuwenden, welches nicht das unsere ist. So ist wohl zu befürchten, Ihr würdet Euer Leben lang ›ein glühender Ofen bleiben, der ohn Unterlaß Flammen und Funken sprüht‹. Dieser Satz stammt von Calvin, denket darüber nach. Er benennt anschaulich die Schwäche unserer Natur. Und gewiß, nicht sündigen ist besser als sündigen; doch wenn wir, von der Hitze des Blutes getrieben, unterliegen (hier runzelte Sauveterre noch stärker die Brauen), müssen wir uns wenigstens – in derlei Dingen sehr umsichtig zeigen, sonst können wir viel dabei verlieren. Ich bitte Euch, mein Pierre, stürzt Euch nicht blindlings in die Fallen, die Euch in einer großen schönen Stadt wie Montpellier gestellt werden. Auch sollt Ihr der Erstbesten nicht gleich beiliegen, weil sie Euch Augen macht und sich nach Euch den Hals verrenkt. Und hütet Euch vor den verderbten, durchtriebenen, habgierigen, käuflichen Dirnen. Hütet Euch im Grunde vor allen Weibern«, fuhr er lächelnd fort. »Doch sollte Euch durch Zufall ein ehrliches Mädchen begegnen, seid gut zu ihr, zumal Ihr von Natur aus dazu neigt, denn Ihr ermangelt nicht der Güte noch des Edelmutes.«
    Diese Rede erstaunte Samson, und sie gefiel Sauveterre wenig, wohingegen ich nicht lange brauchte, um noch am nämlichen Tage zu begreifen, warum mein Vater, der meine Seele heilen wollte, sie gehalten.
    Oheim Sauveterre umarmte uns als erster, dann schloß mein Vater uns in seine Arme, so herzlich und so fest, daß es nicht schwerfiel zu verstehen: Er brachte nicht nur ein Opfer an Geld, wenn er uns nach Montpellier zum Studium schickte. Schließlich trat auch François ein, der uns mit ungerührter Miene geziemlich auf die Wangen küßte.
    Mein Vater besorgte, durch längeren Aufschub noch weicher gestimmt zu werden, und drängte auf raschen Abschied im Hof, wo unser ganzes Gesinde versammelt war, auch die Leute aus Le Breuil, vom Steinbruch und aus der Beunes-Mühle. Die Frauen vergossen Tränen, dabei die Maligou wie üblich plapperte und schwätzte, indes Barberine schluchzend beteuerte, daß sie mit ihren »beiden Sonnen« nun alles verlöre; die Männer schwiegen mit bekümmerter Miene. Ich wischte die letzte Träne von Catherines runder Wange, schenkte der Gavachette ein Lächeln und schwang mich, nachdem Samson und Miroulschon aufgesessen, in den Sattel. Im Schritt passierten die vier Pferde die drei Zugbrücken, und alle liefen neben ihnen her und hinterdrein.
    Ich winkte ein letztes Mal und sah, wie blaß das Gesicht meines Vaters geworden. Dann trabten wir los, und ich ließ meine Kindheit zurück.
     
    Trotz der Abkürzungspfade brauchten wir nahezu zwei Stunden bis Sarlat, denn ich wollte die Pferde nicht ermüden und sorgte für eine mäßige Gangart: vor uns lag eine sehr lange Reise. Mir stand der Sinn wenig nach Reden, doch mein Geist war trotzdem hellwach und nicht mehr in Trübsinn versunken, wie er es seit dem Tode der kleinen Hélix gewesen. Auf der Straße nach Cahors führte ein langer Weg zwischen dichten Kastanienwäldern steil bergan. Ich ließ meine schwarze Stute in Schritt fallen, drehte mich zu Miroul um und bat ihn, uns ein Lied zu singen, um uns den eintönigen Anstieg zu verkürzen. Lächelnd neigte er den Kopf, um die Viole, die er sich umgehängt, nach vorn zu holen, hängte die Zügel über den Widerrist seines kleinen Arabers, der die Hufe in das wellige Erdreich grub, und reichte Samson mit bittendem Blick das Halfter des Packpferdes. Sodann legte er seine Viole quer über den Sattelknauf, zupfte die Saiten und stimmte – weil es ihm so gefiel oder weil er es für unsere lange Reise angemessen finden mochte – das Lied an, welches er der kleinen Hélix in ihren letzten Wochen so oft
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher