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Fortunas Odyssee (German Edition)

Fortunas Odyssee (German Edition)

Titel: Fortunas Odyssee (German Edition)
Autoren: Eliane Reinert
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gründlich daneben, außer einigen schiefen Tönen kam nichts dabei heraus. Jetzt verzog sich zwar das Karussell langsam, dafür meldete sich eine noch nie verspürte Nervosität.
    Nachdem sie ihre Wetten abgeschlossen, die neuesten Gerüchte gehört oder verbreitet hatten, verließen die Leute eilig diesen für mich geweihten Ort. Glücklicherweise stellte mir niemand Fragen über Autos. Vielleicht hatte ich sie mit meinem blutleeren Gesicht des ungläubigen Gewinners erschreckt.
    Die junge Frau am Schalter trotz meines Zustandes fielen mir ihre wohlgeformten, langen Beine auf zog eine Nagelfeile aus der Schublade und begann, ihre Fingernägel zu bearbeiten. Ab und zu hob sie ihren Kopf, um zu sehen, ob ihr durch neue Kunden eine Störung drohte.
    Mir war nicht klar, was ich tun sollte. Ich nahm kaum den Hinweis an der Wand wahr, dass sich der Gewinn in den letzten beiden Wochen angehäuft hatte. Tim Ligier war also nicht nur Millionär geworden, sondern Multimillionär. Es war unmöglich, nicht an meinen Vater zu denken, von dem ich die Zahlenfolge übernommen hatte. Davon aber später.
    Plötzlich schoss mir Lynda, meine Frau, durch den Kopf. In meiner Euphorie hatte ich sie aus meinen Gedanken verdrängt. Vor einem Monat war bei ihr ein Tumor entdeckt worden; und gleichzeitig mit den Untersuchungen hatten die Gebete von Familienangehörigen und Freunden begonnen.
    »Ich vertraue der Medizin«, hatte sie nach den ersten Untersuchungen optimistisch verkündet.
    Die Ärzte bemühten sich um eine möglichst exakte Diagnose und darum, uns die Lage zu erklären. Verfluchte Krankheit, die ohne Ankündigung kommt den Betroffenen und seine Familie in Angst und Verzweiflung stürzt! Lynda zeigte sich vom Tag der Entdeckung des Tumors in ihrer Brust an zuversichtlich. Ich war natürlich besorgt und versuchte, meine Nervosität zu verbergen so gut es ging. Doch nach so langer Zeit des Zusammenlebens kennt man einander so gut, dass das Verbergen von Gefühlen ein hoffnungsloses Unterfangen ist. »Os olhos são o espelho da alma«, behaupten zahllose Literaten genauso wie die Medizin und wollen damit sagen, dass man in den Augen aus der Seele des Menschen lesen kann.
    »Die Augen sind ein Spiegel der Seele«, heißt es, und sie alle haben unbestreitbar Recht. Ich konnte tatsächlich meine Besorgnis nicht vor ihr verbergen, sie konnte meine Seelenqual erkennen, wenn sie mir in die Augen blickte.
    Sie lächelte und meinte: »Egal, ob wir uns wegen des Tumors quälen oder nicht – er existiert. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als der Medizin zu vertrauen, zu beten und zu hoffen.«
    Ich dachte darüber nach, dass sie wirklich eine ungemein tapfere Frau war.
    »Brauchen Sie Hilfe?«, erkundigte sich die nagelfeilende junge Frau, die mich kannte.
    Erschreckt schaute ich wieder auf den an die Wand gehefteten Zettel mit den Zahlen, die mich zum Multimillionär kürten. Nachdem ich tief durchgeatmet hatte, sah ich sie an.
    »Wollen Sie Ihren Lottozettel abgeben?«, fragte sie lapidar, während sie den Blick nicht von ihren Fingernägeln nahm.
    »Äh nein, danke«, antwortete ich etwas geistesabwesend, obwohl das Bedürfnis, ihr mein neues Geheimnis anzuvertrauen, fast unerträglich war.
    ‹Das habe ich als frisch gebackener Millionär nicht mehr nötig›, wollte ich sagen, aber es kam mir nicht über die Lippen.
    Ich lief zur Tür, als ein betagter Herr lächelnd eintrat und zum Schalter ging.
    »Guten Tag, holde Dame! Helfen Sie diesem alten Mann… dieselben Zahlen wie immer, es werden immer dieselben sein, bis ich einmal gewinne.« Charmant deutete er eine kleine Verbeugung an und seine Augen blitzten spitzbübisch.
    Anschließend zog er seinen zerknüllten Zettel aus der Tasche und gab ihn ihr. Mir fiel auf, dass seine Hände ebenso wie meine zitterten, wenn auch aus vermutlich anderen Gründen.
    Einen Augenblick lang betrachtete ich das Szenario und verließ die Annahmestelle.
    Nun konzentrierte ich mich so gut dies in meinem Zustand möglich war auf meine nächsten Schritte: Ich würde zur Bank gehen und meinen Gewinn einstreichen. Die würden Stielaugen kriegen, soviel stand fest. Schließlich kam auch auf einer Bank nicht jeden Tag einer reingeschneit, der ein Millionärskonto eröffnete. Und ich wollte es natürlich Lynda erzählen, trotz unserer Last, wir würden die Sorgen wenigstens für ein paar Stunden vergessen.
    Dabei war es unvermeidlich, dass ich meine Anonymität verlieren würde, oder besser, das bisschen,
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