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Fortunas Odyssee (German Edition)

Fortunas Odyssee (German Edition)

Titel: Fortunas Odyssee (German Edition)
Autoren: Eliane Reinert
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das mir noch geblieben war.
    Als ich auf die andere Straßenseite blickte, an der mein Auto stand, erregte ein seltsames Bild meine Aufmerksamkeit. Das Auto stand vor der Tür eines Ladens, dessen exotisches Schaufenster mir vorher noch nie aufgefallen war.
    Ich sage exotisch, denn es war wirklich ungewöhnlich. Dort stand eine Hexe, die mit ihrem Besen in einem Kessel rührte und dabei den Passanten zulächelte. Es war eine Figur in Lebensgröße, deren Haare und Kleider von einem versteckten Ventilator angeblasen wurden. Der Kessel drehte sich ununterbrochen, und dünne Rauchschwaden stiegen daraus auf. Plötzlich trat ein Mann aus dem Laden und heftete ein Plakat an die Tür, auf dem zu lesen war:
    »Werden Sie unser Kunde und machen Sie die ungewöhnlichste Reise Ihres Lebens! Sprechen Sie mit dem Hexer.«
    Ich zeigte mit einem verächtlichen Lächeln, was ich von dieser Botschaft hielt.
    Eine Frau, die vorbeikam, hielt an, um zu lesen, wobei sie ihre Brille auf der Nase zurechtrückte.
    Der Mann war bereits wieder im Laden verschwunden, als ich prophezeite:
    »So werden die Leichtgläubigen ausgenommen.«
    Sie drehte ihren Kopf zu mir und schaute mich an. Sie lächelte.
    »Aber diese Reise scheint interessant zu sein. Schade, dass ich gerade keine Zeit habe«, erwiderte sie und ging eilig weiter.
    »Und viele fallen auch noch auf so einen Mist herein!«, rief ich ihr nach, im Glauben, meine Meinung würde sie interessieren. Aber ihre Gestalt bog schnell um die nächste Ecke und war verschwunden.
    Mir schien, als ob der Laden leer sei. Ich stieg eine Stufe hoch und beobachtete den sich drehenden Kessel. Er war aus Gusseisen und konnte nur durch mithilfe von Maschinen in dieses Schaufenster gekommen sein. Die Hexe war eher aus leichtem Material, wahrscheinlich eine Schaufensterpuppe.
    Plötzlich öffnete sich die Tür und ein großer, schlanker, dunkelhäutiger Mann stand vor mir. Er trug ein heiteres Lächeln im Gesicht und seine Hände steckten in den Taschen einer eleganten Hose. Überhaupt, er war gut gekleidet, auch seine Schuhe waren ganz gewiss nicht billig gewesen. Er lehnte am Türrahmen und beäugte aufmerksam die Hexe. Seine Haut und seine hellen Augen glänzten. Irgendwie fühlte ich mich unbehaglich und fragte mich, was ich dort eigentlich wollte. Mithilfe einer schnellen Kopfbewegung versuchte ich, wieder in die Realität zurückzugelangen.
    Mein erster Gedanke war, schleunigst von dort zu verschwinden. Dann bemerkte ich den Blick, den er mir zuwarf. Meine verächtlichen Bemerkungen kamen mir wieder in den Sinn.
    »Sehen Sie, wie die Menschen ziellos hin- und herlaufen?«
    Ich drehte mich um und ließ meinen Blick über die Straße schweifen. Tatsächlich, die Leute rannten scheinbar ziellos in alle Richtungen, einige mit gesenktem Kopf, andere mit konzentrierten Gesichtern und zielsicheren Schritten: Die Zeit hatte sich in ihre Haut geprägt, es waren die typischen Gesichter von Männern und Frauen, die in einer Großstadt lebten. Man kannte einander nicht und beachtete sich auch nicht. Jeder war mit sich selbst beschäftigt. Mir hatte einmal ein Bekannter, der in New York City gewesen war, erzählt, dass man dort über einen am Bürgersteig liegenden Menschen einfach hinwegstieg, nur um sich Zeit und allenfalls Ärger zu ersparen. »Wenn du da einen Herzanfall erleidest und alleine unterwegs bist, dann verreckst du, während Hunderte über und an dir vorbeigehen!« Daran dachte ich in diesem Augenblick.
    ‹Wer ist dieser Mann?›, brachten mich meine Gedanken wieder zurück in die Gegenwart und ich verglich seine Eleganz mit meinen lässigen Klamotten. Gemächlich fuhr ich mit meiner Hand über die Bartstoppeln, schaute auf meine glanzlosen Schuhe und kam mir neben diesem Mann, der wie ein amerikanischer Filmstar aussah, wie ein Stadtstreicher vor.
    »Sie laufen von hier nach dort, und sind dabei so in ihre Probleme und Frustrationen vertieft, dass sie nicht anhalten, um zu träumen«, fuhr er fort, ohne seinen Blick von den Menschen abzuwenden. »Wer träumt, ist glücklich und lebt länger; wer nicht träumt, hat kein Ziel. Nur darf ein Traum nicht wahr werden, denn die Realität vermittelt niemals dieses herrliche Gefühl wie ein Traum es kann.«
    Ich kratzte mich am Kopf.
    Mit einem traurigen Lachen schloss er ab: »Sie sind so mit ihrer Erscheinung beschäftigt, dass sie dafür eine Menge Geld ausgeben. Sie sorgen sich um Äußerlichkeiten, aber in ihrem Blick sieht man alle Enttäuschungen
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