Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortunas Odyssee (German Edition)

Fortunas Odyssee (German Edition)

Titel: Fortunas Odyssee (German Edition)
Autoren: Eliane Reinert
Vom Netzwerk:
hing derselbe Leuchter, dessen Kristalle wie Sterne funkelten. Ich rieb mir meine verweinten Augen.
    Als ich mich umdrehte, sah ich die Tür, durch die ich an jenem sonnigen Morgen vollkommen ungläubig eingetreten war. Ich erinnerte mich an meine arroganten Gedanken: ,Was hat ein Ingenieur, ein intelligenter Mann mit einem gut bezahlten Job in der Tür eines Nepperladens zu suchen?
    Der Hexer saß im Sessel vor mir, aufrecht und in Schweigen gehüllt.
    »Das war es also? Das war das Ende?«, ich rieb mir die Augen, aus denen die Tränen flossen.
    Er gab keine Antwort.
    »Dieses Ende hat sie nicht verdient«, sagte ich matt, und wollte irgendetwas von ihm hören.
    Seinem Gesichtsausdruck zufolge schien er großes Mitleid mit mir zu haben. Ich steckte meine Hand in die Hosentasche und entdeckte, dass er meinen Lottozettel nicht gestohlen hatte.
    Aber das war auch unwichtig. Nichts war mehr wichtig.
    »Wenn sie mir gefällt, zahle ich. Wenn nicht, dann nicht. Abgemacht, Hexer?«
    Mir kamen diese Worte in den Sinn. Ich holte den Lottozettel aus der Tasche und bot ihn ihm an, aber er wies ihn zurück.
    Ich erhob mich ganz langsam, denn es kam mir vor, als könnten meinen Knochen jeden Moment zerbrechen. Bevor ich diesen Raum verließ, wollte ich ihm noch eine Frage stellen.
    »Wie lange hat die Reise gedauert?«
    »Zwei Stunden.«
    Ich war gerade mal zwei Stunden hier gewesen!
    Ich ging zur Tür und kniff, geblendet von der Helligkeit dieses Sommermorgens die Augen zusammen.
    Im Schaufenster rührte immer noch dieselbe Hexe in ihrem Kessel. Ich musste mich zusammenreißen, um mich zu erinnern, wie ich hierhergekommen war. Um ehrlich zu sein, ich erinnerte mich an nichts aus der Gegenwart, nicht einmal an mein Auto, dass mir wie eine futuristische Maschine vorkam.
    Ich sah, wie die Menschen auf- und abliefen, Frauen mit kurzen Kleidern, die ihre Schenkel zur Schau stellten. Für jemanden, der eben noch in einer anderen Zeit gelebt hatte, war das ein echter Skandal.
    Alles war in dieser Stunde seltsam und neu.
    »Horizonte«, sagte ich, nachdem ich mich angestrengt hatte, mich an den Namen dieser Stadt zu erinnern.
    Ich winkte dem Hexer zu, ohne mich umzudrehen. Ich denke, er hat zurückgewunken. Ich stieg in mein neues Auto, das ich mit meinem Team selbst entworfen hatte. Ich konnte nicht glauben, dass ich keine Kutsche mehr benutzte und noch mehr: dass wir einmal ohne Brennstoff auskommen könnten.
    Nach einigen Versuchen, meinen Schlüssel zu finden, berührte ich den Griff und die Tür öffnete sich. Als ich mich setzte, erinnerte ich mich daran, dass ich mit meiner Stimme ein Kommando geben musste.
    »Anlassen.«
    Der Motor sprang an. Eine Stimme fragte mich, wohin ich wollte, aber ich antwortete nicht. Ich berührte den Sensor, und das Gefährt setzte sich in Bewegung. Ich fuhr ziellos auf einer Autobahn entlang. Als ich eine hohe Geschwindigkeit erreicht hatte – ich schien, zu fliegen –, entspannte ich mich ein wenig.
    »Dieses Ende hat sie nicht verdient!« Ich wollte es nicht wahrhaben.
    So fuhr ich die kaum befahrene Straße entlang, deren Asphalt so glatt wie Seide war.
    Wie gut, dass wir heutzutage die Wege mit guten Straßen und starken Autos wie meinem verkürzen können, die in Sekundenschnelle zu beschleunigen in der Lage sind.
    Ich war plötzlich von großer Euphorie erfüllt. Ich bremste und hielt am Straßenrand.
    Der Lastwagenfahrer hinter mir stieg in die Eisen und hupte wie verrückt. Die Reifen quietschten, und eine leichte Rauchschwade stieg neben meinem Fenster nach oben. Der Fahrer machte ein nicht gerade elegantes Zeichen mit dem Mittelfinger. Ich griff mir an den Kopf.
    »Los Mann, denk nach!«
    Meine Erinnerung brachte mich wieder zurück zur letzten Szene dieser Reise.
    Ich bemühte mich vergebens, mich auf die Gegenwart zu konzentrieren.
    Und trotz aller Anstrengung konnte ich mich auch nicht mehr daran erinnern, was nach dem Schuss geschehen war. In meinem Kopf ging alles drunter und drüber, und mein Gedächtnis hielt mich zum Narren.
    »Los Tim!«, schrie ich.
    Ich lenkte das Auto wieder auf die Straße und beschleunigte. Der Lastwagenfahrer hatte schon einige Schimpfworte parat, als er sah, dass ich ihn überholte. Ich warf ihm eine Kusshand zu, nur um ihn zu provozieren.
    Im Rückspiegel sah ich dieselbe obszöne Geste, mit der ich den Hexer einige Male bedacht hatte.
    Mir lief es kalt den Rücken hinunter, als plötzlich vor mir das Ortsschild von Madrigal auftauchte.
    Ich fuhr in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher