Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Forstchen, William

Forstchen, William

Titel: Forstchen, William
Autoren: William R. Forstchen
Vom Netzwerk:
entspannte sich, als sie in ungestörten Schlaf versank.
    Er küsste sie sacht auf die Stirn und stand auf.
    Wie konnte ich nur zulassen, dass es dazu kam?, fragte er sich. Niemals zuvor … warum also jetzt? Lag es an der ständigen Angst und dem Schrecken, dass er sich einen Funken ersehnte, Zärtlichkeit, das Gefühl einen Menschen an der Seite zu haben, während man am Abgrund stand? Er musterte sie von Neuem und dachte nach. Nein, wo ich ihr auch begegnet wäre – hier, in Rus, den Staaten –, es wäre genauso gelaufen; mich hätte dieses Etwas in den hellbraunen Zügen angezogen, den goldenen Mandelaugen. Aus welcher Gegend der Erde stammte ihr Volk? Wäre Andrew oder dieser grässliche Emil hier, dann könnten sie es mir erklären. Indien oder vielleicht eine dieser heidnischen Inseln im Pazifik.
    Er lächelte, als er an Seefahrergeschichten über die tropischen Inseln zurückdachte, über einheimische Mädchen und die Flucht vom Schiff, um niemals zurückzukehren. Wenn er Tamira anblickte, verstand er dergleichen gut. Und wieso ich? Lag es an der Angst? Schließlich bin ich alt genug, um ihr Vater zu sein. Aber nein, das war es nicht. Etwas Instinktives hatte sich zwischen ihnen breitgemacht, ein unausgesprochenes Wort, das ganze Bände vermitteln konnte.
    Wäre ich ihr früher begegnet, in den Staaten, oder noch früher in Deutschland, wäre ich dann Soldat geworden? Alberner Gedanke! Das ist es nun mal, was mich ausmacht – Hans Schuder, Sergeant Major, bei Gott.
    Also ist sie es, die mich jetzt am Leben hält, mir den Wunsch vermittelt, in der Hölle zu leben.
    Sie rührte sich erneut, rollte sich zusammen und hielt sich mit nervöser Geste eine Hand vors Gesicht, während ein Wimmern über ihre Lippen kam. Er fühlte sich versucht, sie sacht auf die Stirn zu küssen, sie zu wecken. Aber nein, er ließ sie lieber schlafen.
    Von Neuem blickte er sich in der Jurte um. Warum sind wir hier? Er spürte, dass ein Art Geschäft abgewickelt worden war, von dem er einen Teil bildete. Warum sonst wären wohl er und Hunderte Gefangene der wenigen Merki-Überlebenden ausgesondert und Hunderte Kilometer weit nach Osten getrieben worden? Heute Morgen hatte er den kurzen Eindruck einer gewaltigen Hordensiedlung am fernen Horizont erhascht, wo Tausende Jurten die Prärie sprenkelten. Die Szene erinnerte ihn an die Büffelherden, die ein solch gewohnter Anblick auf den Prärien Nordamerikas waren.
    Als man sie beide zu einer eigenen Jurte führte, wurde Tamira starr vor Angst. Sie glaubte, man hätte sie für das Mondfest ausgesondert. Hans log sie überzeugend an, des eigenen Verdachts nicht achtend, dass man sie für nichts weiter über diese gewaltige Entfernung getrieben hatte, als sie für rituelle Folterungen zu verwenden, höchstwahrscheinlich mit der Absicht, den verdammten Ahnengeist irgendeines kleinen Häuptlings zu beschwichtigen. Vielleicht gehörten sie zu dem Tribut, den die Bantaghorde inzwischen von den zerstreuten Resten der Merki eintrieb, und die Bastarde wollten jetzt wohl einige Gefangene lebendig braten, um das Abkommen zu zementieren.
    Er griff in die rechte Tasche der zerlumpten himmelblauen Hose und tastete den verstärkten Bund ab. Der dünne Splitter messerscharfen Stahls war noch immer in seinem Versteck und beruhigte Hans. Das Ding bildete seinen einzigen Trost, wenigstens Tamira verschont zu sehen. Falls die Mistkerle kamen und sie beide holten und es den Anschein hatte, dass man sie zu Unterhaltungszwecken nutzen würde, dann ein rascher Schnitt, ein kurzes Aufflackern von Schmerz, ein fast dankbarer Ausdruck in Tamiras Augen, und wenigstens sie würde vor dem Ritual verschont bleiben.
    Warum hatten die Bantag ihr überhaupt gestattet, ihn zu begleiten? Auch das war ihm ein Rätsel. Diese Ungeheuer brachten weder Gespür noch Mitgefühl auf für die Bande menschlicher Zuneigung. Ein Paar, zwei Schoßtiere, konnten durchaus mal jahrelang zusammenleben, sogar die Duldung ihrer Liebe durch den Besitzer erfahren, nur um auf eine Laune hin für immer getrennt zu werden. Als die Merki ihn aussonderten und er weggeführt wurde, klammerte sich Tamira an ihn … und niemand hinderte sie daran, mit ihm zu gehen.
    Allein das machte ihn schon neugierig und erschrocken zugleich. Er wusste, dass er für die Horden ein Gefangener von höchstem Rang war. Ehe Tamuka, der frühere Qar Qarth, verschwand und mit seinen wenigen restlichen Getreuen nach Westen zurückritt, hatte er Hans einen langen und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher