Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt
Autoren: Juna Benett
Vom Netzwerk:
zerre die große Reisetasche aus der hintersten Ecke meines Schrankes hervor und beginne, verschiedene Kleider hineinzuwerfen. Für einen unwissenden Beobachter mag das nach reiner Willkür aussehen, aber dahinter steckt ein ausgeklügeltes System! Selbstverständlich achte ich in erster Linie darauf, dass die Klamotten eher funktional als todschick sind, aber einigermaßen gut aussehen möchte ich natürlich trotzdem. Mehrere Hosen, lange und kurze, denn man weiß ja nicht, wie das Wetter wird. Tendenziell vielleicht doch lieber eine Jeans mehr einpacken, falls es Gestrüpp, Brennnesseln und Stechmücken gibt? T-Shirts, Kapuzenpullis, ein Berg Unterwäsche, viele Socken, auch dicke, denn die Nächte im April sind empfindlich kalt. Ein Bandana als Schutz gegen die Sonne. Ich habe die Hoffnung, damit wildromantisch auszusehen, denn eine Baseballmütze geht bei mir gar nicht. Diverse andere Dinge wandern ebenfalls in meine Reisetasche, sodass ich mich schließlich mit ganzem Körpereinsatz und -gewicht darauf wälzen muss, um sie zu schließen. Meinen Schlafsack, die Isomatte und mein wunderbar knautschiges Kissen, das sich jeder Schlafumgebung perfekt anpasst, stecke ich in eine große Tüte, die ich auf die Tasche stelle. Nun fehlt nur noch mein Rucksack mit der Verpflegung. Glücklicherweise wollen wir alle drei Tage am gleichen Ort verbringen. Zum Wandern wäre ich mit meinem Berg an Ausrüstung nicht fähig. Hoffentlich haben die anderen wenige Teile am Start, ansonsten werden wir bereits beim Beladen des Autos mit Platzproblemen konfrontiert werden.
    Ein Blick aus dem Fenster zeigt, dass ich genau zur richtigen Zeit fertig geworden bin. Gerade fährt der weiße Mini-Van von Vivs Eltern vor. Auf der Rückbank erkenne ich Laro und Jasmin, die in eine angeregte Unterhaltung vertieft sind. Mein Gepäck-Größenwahn führt dazu, dass Vivs Vater eine Viertelstunde lang umräumen muss, bis er meine Sachen im Kofferraum unterbekommt. Währenddessen sprechen wir noch einmal die Einkaufsliste durch, die Laro für uns zusammengestellt hat.
    Der ausgedehnte Besuch im Supermarkt, der dafür sorgt, dass das Auto bis dicht unter die Decke beladen ist, dauert länger als die anschließende Fahrt. Die anvisierte Campinganlage ist nicht weit entfernt, ansonsten hätten unsere Eltern dem spontanen Kurztrip niemals zugestimmt.
    Vivs Vater schüttelt amüsiert den Kopf. »Man möchte nicht glauben, dass ihr nur drei Tage auf dem Zeltplatz verbringen wollt. Wenn man diese Vorräte anschaut, drängt sich eher der Gedanke an eine zweiwöchige Expedition auf.«
    Er kontrolliert nicht nur penibel, ob wir alle unsere Handys samt Ladegeräten eingepackt haben, sondern überprüft auch den Verbandskasten, den er uns aufgeschwatzt hat. Als er jedoch fragt, ob wir entsprechendes Schuhwerk eingepackt hätten und uns schließlich noch beim Aufbau der Zelte helfen will, wird Viv böse und nötigt ihn zur Abfahrt.
    Keine gute Idee, wie uns nach wenigen Minuten bewusst wird. Wir stehen gemeinsam um die beiden Zelte herum, die Viv und Laro mitgebracht haben, und müssen leider feststellen, dass alle zwar schon einmal beim Aufbau zugeschaut haben, jedoch keiner weiß, was wirklich zu tun ist. Egal. Man wächst ja bekanntlich an seinen Aufgaben.
    Nach einer halben Stunde erfolglosem Zeltaufbau ist die Motivation aufgebraucht. Genervt sitze ich auf unserer Kühlbox und versuche, die Zeltstangen mit purer Gedankenkraft in der Balance zu halten. Ein Unterfangen, das natürlich nicht gelingt. Dafür fällt Viv das Zeltdach auf den Kopf, nachdem sie gerade triumphierend den letzten Hering in den Boden geschlagen hat. Nachdem Jasmin mit einem »Bald wird es dunkel«-Blick den Himmel betrachtet und etwas von »Na toll, warum übernachten wir nicht gleich unter einer Parkbank?« murmelt, beschließen Laro und ich, im nahe gelegenen Café um Hilfe zu bitten.
    Man stelle sich vor, wir wären wirklich alleine in der Wildnis; das gäbe Stoff für einen Film. Mindestens.
    Das Café »Zum goldenen Baum« befindet sich auf der anderen Seite der Campinganlage. So sehr ich auch suche und mich verrenke: weit und breit kein nur im entferntesten goldener Baum, der als Namensgeber fungiert haben könnte. Nur sehr wenig Zelte oder Wohnmobile nehmen den Platz in Anspruch, was sicherlich daran liegt, dass kaum jemand so verrückt ist, Mitte April zelten zu gehen.
    Glücklicherweise ist das Café trotz mangelnder Besucher geöffnet, sodass wir uns mit einem Latte Macchiato
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher