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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt
Autoren: Juna Benett
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im vergangenen Jahr aus dem Klassiker »Wahrheit oder Pflicht« heraus entwickelt.
    Das Prinzip der ursprünglichen Form ist denkbar einfach. Die Spieler sitzen im Kreis auf dem Boden. In der Mitte liegt eine Flasche, die gedreht wird. Ist man unglücklicherweise die Person, auf die der Flaschenhals nach dem Stillstand zeigt, hat man die Wahl zwischen »Wahrheit«, was eine meist unangenehme Frage beinhaltet, und »Pflicht«, was eine mehr oder weniger sinnvolle, aber vor allem peinliche Aufgabe nach sich zieht. Auf der letzten Klassenfahrt bekam ein Mitschüler die »Pflicht« auferlegt, den Flur der Jugendherberge einmal nackt auf und ab zu rennen. Leider endete er nach der ersten Teilstrecke in den Armen unserer Klassenlehrerin, die den Vorfall nicht halb so lustig fand wie wir. Seitdem traut sich keiner mehr, »Pflicht« zu wählen. Das liegt auch daran, dass bei der »Wahrheit« mit ein bisschen Geschick keiner weiß, ob man lügt oder eben die Wahrheit sagt. Hingegen fällt es jedoch durchaus auf, wenn man beispielsweise nackt durch den Flur läuft.
    Laro strahlt, als sie mich sieht. »Hannah! Wir haben uns schon gefragt, wo ihr steckt! Wo hast du Viv gelassen? Ist sie bei -«
    »Sie ist gerade mitten in einer Unterhaltung!«, schneide ich ihr das Wort ab, bevor sie der Runde diverse Informationen über Vivs Interesse an Till preisgibt. Glücklicherweise deutet Laro meinen warnenden Gesichtsausdruck richtig und wechselt das Thema.
    »Los, setze dich zu uns und spiele mit.«
    Folgsam ziehe ich meinen Rock zurecht und lasse mich auf dem Boden nieder. »Wahrheit oder Wahrheit« ist zwar eines der blödesten Spiele, die ich kenne, aber immerhin geistere ich nicht mehr alleine durchs Haus. Zudem ist es denkbar unwahrscheinlich, dass mir Jan in einer Zimmerecke über den Weg läuft.
    Das Glück scheint heute auf meiner Seite zu sein. Bisher zeigte die Flasche erst ein einziges Mal auf mich (»Wie viele Freunde hattest du schon?« - Keinen, wisst ihr das nicht eh schon alle?), sodass ich meine Aufmerksamkeit auf die peinlichen Geständnisse konzentrieren kann, die meine Mitschüler preisgeben (müssen). Speziell unsere Gastgeberin Miri fühlt sich für besondes prekäre Fragen zuständig. Man sieht ihr förmlich an, wie sie danach giert, ausgefragt zu werden und anschließend dem Nächsten die Schamesröte ins Gesicht zu treiben.
    Ich amüsiere mich prächtig und nehme nicht wahr, dass hinter mir jemand steht. Plötzlich steigt mir der Geruch eines frischen Aftershaves in die Nase. Die bunten Getränke haben mittlerweile ihre Wirkung voll entfaltet, sodass ich den würzigen, männlichen Duft inhaliere, ohne mir über dessen Quelle Gedanken zu machen. Es riecht einfach fantastisch nach Abenteuer, einem Abend am Lagerfeuer, Erde, die von der Sonne getrocknet wird...
    »Hallo zusammen. Kann man noch mitspielen?«
    Ich drehe mich um und fühle mich schlagartig wieder nüchtern.
    Jan.
    Schicksal, was habe ich dir angetan, dass du mich so bestrafst? Was will er hier? Mit einem Haufen Zehntklässlern ein albernes Spiel machen? Und wo ist Denise?
    Auch meine Klassenkameraden schauen ihn verwirrt an.
    Was jetzt? Aufspringen und kopflos aus dem Zimmer rennen? Nein. Aufstehen und jodeln? Definitiv auch nicht. Hannah, bleib ernst! Mich unsichtbar machen? Ja! Ja! Ja!
    Ich starre also auf den Boden und simuliere Abwesenheit. Währenddessen nehmen meine Mitspieler Jan in unsere Runde auf. Verräter!
    Da ich so mit »Nicht-Auffallen« beschäftigt bin, registriere ich erst mit starker Verspätung, dass mich alle anschauen.
    Die Flasche zeigt auf mich.
    Wie komme ich da wieder raus? Was für eine miese Idee, bei diesem blöden Spiel mitzumachen. Wieso musste sich Jan zu unserer Runde gesellen? Fällt ihm nicht auf, dass außer ihm kein Oberstufenschüler im Raum ist?
    Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Frage möglichst elegant zu beantworten. Miri setzt ein fieses Grinsen auf. Ausgerechnet sie, war ja klar.
    »Hannah, gibt es hier im Raum einen Mann, den du richtig toll findest?« Sie blickt vielsagend zu Jan. Miese Ziege! Sie will mich bloßstellen.
    Ja, ich weiß. Das ist Ziel des Spiels. Aber ich finde es momentan trotzdem bei weitem nicht mehr so witzig wie noch vor ein paar Minuten. Jetzt nichts anmerken lassen! Mein Plan: Heute Abend keine Blamagen! Und den werde ich umsetzen.
    Ich spüre Jans kühlen Blick auf mir und versuche, mich zu konzentrieren. Äußerlich die Ruhe selbst, zucke ich mit den Schultern. »Eher
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