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Fool: Roman (German Edition)

Fool: Roman (German Edition)

Titel: Fool: Roman (German Edition)
Autoren: Christopher Moore
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eine geschmackvolle Tragödie, die wunderbar funktioniert, aber dieser Spinner kann die Finger nicht davon lassen. Er muss sich daran zu schaffen machen und sie mit endlosen Rammeleien und Spermafontänen besudeln. Anscheinend darf es nichts Schönes mehr geben.
    Okay. Erstens: stimmt schon. Aber zweitens: Unfassbar, dass Sie so denken …
    Und Sie haben recht: Ich habe die englische Geschichte, Geografie, »König Lear« und die englische Sprache im Allgemeinen verwurstet. Aber zu meiner Rechtfertigung – nun, im Grunde ist es nicht zu rechtfertigen, aber lassen Sie mich Ihnen eine Vorstellung davon vermitteln, wie und wo man anfängt, wenn man die Geschichte von »König Lear« neu erzählen will.
    Wenn Sie mit der englischen Sprache arbeiten, besonders wenn Sie es schon so unfassbar lange tun wie ich, läuft Ihnen Williams Werk an jeder Ecke über den Weg. Egal, was Sie zu sagen haben, immer stellt sich raus, dass Willi es eleganter, knapper und lyrischer (wahrscheinlich im jambischen Pentameter) gesagt hat – und das vor vierhundert Jahren. Man kann unmöglich tun, was er getan hat, aber man kann seine Genialität erkennen. Allerdings begann ich Fool nicht als Tribut an Shakespeare – ich schrieb das Buch aus Bewunderung für die britische Komödie.
    Es begann mit der Idee, eine Geschichte über einen Narren zu schreiben, einen englischen Hofnarren, weil ich gern über Schelme schreibe. Den ersten Pfeil schoss ich bereits vor vielen Jahren bei einem Frühstück mit Jennifer Brehl, meiner amerikanischen Lektorin, in New York ab, nachdem ich am Abend vorher erheblich zu viel Schlaftabletten genommen hatte. (NewYork schafft mich irgendwie. Ich fühle mich immer wie ein Schwamm, der New York die Angst von der Stirn tupft.)
    »Jen, ich möchte ein Buch über einen Hofnarren schreiben. Ich weiß nur nicht, ob ich einen ganz normalen Narren oder Lears nehmen soll.«
    »Natürlich musst du Lears Narren nehmen«, sagte sie.
    »Dann eben Lears«, sagte ich, als gehörte nicht mehr dazu, als es nur auszusprechen.
    Sie schmolz langsam auf ihrem Stuhl und verwandelte sich in eine Wasserpfeife schmauchende Raupe, die immer nur »wah, wah, wah, wah, wah« sagte und am Ende das Frühstück bezahlte. Den Rest des Morgens habe ich irgendwie ausgeixt. (Kleiner Tipp für Geschäftsreisende: Wenn Sie nach der zweiten Tablette immer noch nicht schlafen, nehme Sie KEINE dritte.)
    Also sprang ich ins tiefe Becken und tauchte fast zwei Jahre in Shakespeares Werk ab: als Schauspiel, in geschriebener Form und auf DVD. Ich habe bestimmt dreißig verschiedene Aufführungen von »König Lear« gesehen, und, ehrlich gesagt, als ich mitten in meinen Recherchen war und mir angehört hatte, wie ein gutes Dutzend verschiedener Lears gegen den Sturm anschrie und jammerte, was sie doch für Vollidioten gewesen waren, wäre ich am liebsten auf die Bühne geklettert und hätte den alten Herrn eigenhändig gemeuchelt. Denn sosehr ich die Eloquenz der Sprache, das Talent und Durchhaltevermögen bewundere, das ein Schauspieler braucht, um Lear zu spielen, man kann doch nur ein gewisses Maß an Jammerei ertragen, bis man sich ins Komitee für die Aufnahme des Seniorenmissbauchs als olympische Disziplin wählen lassen möchte. Ich finde, man sollte den Sehenswürdigkeiten von Stratford-on-Avon eine weitere hinzufügen, bei der Besucher die Möglichkeit bekommen, König Lear von einer Klippe zu stoßen. Sie wissen schon – so ähnlich wie Bungee-Jumping, nur eben ohne Bungee. Einfach nur: »Blast, Winde, bläht die Backen! Aaaaaahhhhh!« Klatsch. Himmlische Stille. Okay, vielleicht auch nicht. (Es gibt in Stratford übrigens ein Shakespeare-Hospiz für Leute, die sich auf das »Nicht sein« vorbereiten.)
    Hat man sich erst entschieden, den »Lear« nachzuerzählen, werden Zeit und Ort zu einem Problem, dem man sich stellen muss.
    Nach einer Historie der Britischen Monarchen ( Die Könige Britanniens ), 1136 zusammengestellt von dem walisischen Geistlichen Geoffrey of Monmouth, lebte der echte König Leir, falls er denn tatsächlich existiert hat, um 400 v. Chr., etwa zur Zeit Platons und Aristoteles’, zur Blütezeit des Griechischen Reiches, als es in England noch keine großen Burgen gab und die Grafschaften, auf die sich Shakespeare in seinem Stück bezieht, längst nicht noch existierten, und Leir bestenfalls eine Art Stammesfürst gewesen sein dürfte, nicht Herrscher über ein Riesenreich mit Macht über ein komplexes, sozio-politisches System
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