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Follower - Die Geschichte einer Stalkerin

Follower - Die Geschichte einer Stalkerin

Titel: Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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noch so unwahrscheinlich schien. Es war theoretisch möglich , dass sie es ans Set schaffte und Kiran begegnete … und es war theoretisch möglich , dass man sie dort bemerkte und ihr eine größere Rolle anbot. Sie brauchte diese Möglichkeit für sich, für ihre Seele. Und Verena Gint konnte diese letzte Möglichkeit zunichte machen. Sie hatte das erreicht, was Daniela sich seit zwei Jahren erträumte, und sie verdarb, ja, sie vergiftete Danielas Fantasien, machte sie unrealistisch, theoretisch fast unmöglich .
    In ihrem Gehirn ratterte es unaufhörlich. Sie grübelte und grübelte, erledigte ihre Arbeit wie in Trance, mechanisch, wie ein Roboter. Und sie fand keine Lösung. Es war zum Verzweifeln. Obwohl sie genau wusste, was richtig war, konnte sie nicht bewirken, dass das Richtige passierte. Sie musste hilflos mit ansehen, wie das große Thema ihres Lebens sich in die falsche Richtung entwickelte.
    Daniela klemmte ihren Mop in die Halterung des Putzwagens und lief den Gang entlang und dann die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Hier gab es eine wenig besuchte Personaltoilette. Ein Rückzugsort für Notfälle, den sie schon einige Male genutzt hatte, wenn ihr zum Weinen war oder sie dem ganzen Pulk für ein paar Minuten entfliehen wollte. Daniela öffnete die Tür zu dem dunklen, kühlen Raum mit den weißen Kacheln. Es schien niemand darin zu sein und sie verzichtete darauf, den Lichtschalter zu betätigen. Daniela ging zu einer der Toilettenkabinen und schloss sich ein. Und dann weinte sie. Die Tränen strömten aus ihren Augen, kaum dass sie die Tür verschlossen hatte. Sie lehnte sich gegen die Kabinenwand und schluchzte, einsam und ungehört. Es war ungerecht, so furchtbar ungerecht. Und das Schlimmste war, dass sie langsam ihren eigenen Anteil an dem ganzen Dilemma sehen konnte. Sie hätte nach Berlin gehen können und sich statt für ein Biologiestudium, auf das sie eigentlich keine Lust hatte, für ein Schauspielstudium an der Filmhochschule bewerben können. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Sie hatte sich einfach nicht genügend angestrengt und sich von ihrer Familie davon abhalten lassen, ihre eigentliche Bestimmung zu leben und interessante Leute kennenzulernen … Kiran kennenzulernen … in Schauspielerkreisen gab es gewiss Parties und Treffs und es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie ihn getroffen hätte.
    Wäre, hätte … jetzt war es vorbei. Der Zug war abgefahren und verschwand in einer Qualmwolke am Horizont, weil sie sich nicht hatte durchsetzen können.
    Ihre Mutter hatte es Daniela hauptamtlich ausgeredet und als Spinnerei abgetan, als sie ihren Eltern den Wunsch mitteilte, nach Berlin zu gehen. Das war etwa drei Wochen nach Kirans Debütfolge bei BIH geschehen und Daniela besuchte damals noch das örtliche Gymnasium.
      „Und was willst du dann machen? Rumsitzen und warten, dass Spielberg anruft?“
    Sie hatten es ihr nicht zugetraut, sie in Grund und Boden argumentiert.
    Und jetzt? Es war so viel Zeit vergangen. Viel zu viel. Und sie war selbst schuld daran, weil sie nicht stark genug gewesen war. Wieder liefen die Tränen brennend über ihr Gesicht und sie riss einige Blätter Klopapier ab, da ihre Nase ebenfalls zu laufen anfing. Daniela setzte sich auf den Toilettendeckel und versuchte, sich zu beruhigen. Das brachte so nichts. Sie musste damit aufhören. Sie war eine erwachsene Frau und BIH war nur eine Serie, nur eine Serie … eine künstliche Welt. Das musste sie sich klar machen, über den Verstand. Es durfte nicht sein, dass sie wegen einer TV-Serie nicht mehr arbeiten konnte und unglücklich war. Und genau genommen, war ja noch gar nichts Schlimmes passiert. Noch nicht. Bisher gab es nur eine neue Rolle bei BIH, mehr nicht. Das musste gar nichts heißen und sie durfte sich wegen einer Serienrolle nicht aus der Bahn werfen lassen. Vielleicht war gar nicht vorgesehen, dass diese Kristina mit Alex zusammenkam. Und wenn doch … dann war es nicht sicher, dass sich Kiran in die Darstellerin verliebte. Niemand konnte das voraussagen. Es war noch nicht vorbei, es gab noch Chancen, das Ruder herumzureißen. Es war theoretisch möglich .
    Daniela schöpfte Atem und schnäuzte sich in ein paar neue Lagen Klopapier. Ja, theoretisch noch machbar. Das genügte ihr im Grunde. Noch nicht alles vorbei. Vielleicht war dieses Ereignis auch ein Zeichen, dass sie etwas ändern sollte in ihrem Leben. Sie hatte schon öfters Ahnungen gehabt, die sich dann erfüllten, und nicht
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