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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab
Autoren: Meister Derek
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Holzkonstruktion der Brücke ruhte, schnitten mit Baumsägen den Fisch und luden sein Fleisch auf Karren.
    Es herrschte Volksfeststimmung. Rungholt frohlockte, wähnte sich schon wieder in den sicheren Mauern seiner Heimatstadt. Doch dann bemerkte er, dass die Wachen des Äußeren Tores alle ankommenden Händler, Bauern und Tagelöhner penibel kontrollierten. Jedes Gesicht studierten sie, blickten unter jeden Karren und unter jedes Fell. Der Hauptwachmann hatte ein Papyrus bei sich. Rungholt meinte sogar, ein Bild von sich darauf zu erkennen. Sicherlich nicht viel besser gestochen als Gryps’ Porträt.
    Im Gebüsch lauernd überlegten die drei, was sie tun sollten. Rungholt war unschlüssig. Seine Handgelenke waren geschwollen, aber nicht gebrochen, dafür plagte ihn sein Rücken. Der lange Ritt auf dem Gaul hatte es nicht besser gemacht. Er war mit seiner Geduld am Ende.
    Doch konnte er es wagen, erhobenen Hauptes in seine Stadt einzureiten?
    Mit einem Mal war Sinje losgegangen, hatte Rungholts Zweifeln wohl sattgehabt. Marek hatte sie noch zurückhalten wollen, doch sie war bereits auf den Pfad zum Holstentor getreten und hielt unbeirrt auf die Soldaten zu.
    Mit angehaltenem Atem beobachteten die beiden Männer, wie sie sich als Bäuerin ausgab und den Soldaten, die ihr dreckiges Gesicht kaum zur Kenntnis nahmen, tiefe Einblicke in ihr Teufelsfenster gewährte.
    »Sie suchen nach dir, Rungholt. Alle. Er hat dich für flüchtig erklärt. Und dich tatsächlich verfestet«, sagte sie, als sie zurückgekehrt war und sich neben die beiden hockte. Für zwei Atemzüge wirbelten in Rungholt die Gedanken. Dann setzte er sein sturstes Gesicht auf und nickte.
    »Soll er machen, was er will. Muskopp.« Eigentlich wäre er am liebsten einem Berserker gleich in die Stadt gestürmt, direkt zu Kerkring. Und diesmal hätte er ihn durch jedes noch so kleine Fenster geprügelt, doch die Vernunft siegte. Es war besser, planvoll vorzugehen. Deswegen drehten sie um und ritten zurück in den Wald, schlugen einen Bogen um Lübeck. Die ersten zwei Tage trabten sie gen Süden, furteten die Trave, schlichen sich durch Matsch und Pfützen an Gehöften vorbei und standen am vierten Tage vor der Stecknitz.
    Das sonst so schmale Flüsschen brodelte über die Ufer. Die Wiesen waren aufgeweicht, und sie suchten einen geeigneten Lagerplatz bis in die Nacht. Marek entfachte ein Feuer. Doch die Wärme konnte nicht durch die nassen Umhänge dringen und ihre kalten Knochen wärmen. Am zweiten Tag bezahlte Rungholt schließlich einen ausgemergelten Salztreidler. Die paar Münzen, die er in den Beuteln an seinem Gürtel trug, waren alles, was er noch besaß. Davongeweht wie Nebel, all seine Witten, die Fässer an Reichtum, die einst seine Böden gefüllt hatten. Was hätte Nyebur, sein Lehrmeister, wohl gesagt, wenn er ihn so gesehen hätte? Verdreckt, verwundet, verfestet.
    Ihr Fährmann hatte kaum Ladung. Zusammen mit den Tieren setzte er sie über. Schlammverkrustete Pferde, Wölkchen schnaubend im Sommerregen, drei stumme Gestalten, von Dreck besudelt und durchnässt, auf einem schmalen Bootsschatten im aufkommenden Nebel.
    Durch Regenschleier rückte Lübeck näher. Müde durchquerten sie die Feuchtwiesen hinter Gut Stecknitz, und am Abend rochen sie die ersten Feuerstellen und Kamine. Wie ein Schutzwall lag der Dunst um Lübeck.
    »Wir sind gleich da«, sagte Rungholt.
    Marek wollte zu ihm aufschließen, gab seinem Braunen die Hacken, bevor er merkte, dass es wegen des Morastes unmöglich war zu galoppieren.
    »Wie willst du an den Wachen vorbeikommen?«, rief er deshalb Rungholt zu.
    Der brummte. Er brummte, wie er es gerne tat.
    »Und wenn wir in der Stadt sind«, fragte Marek, »wo willst du hin? Was willst du dann machen?«
    Auf eine Antwort hatte Rungholt keine Lust. Zu viele Worte für eine simple Tat.
    Zu sterben war schwer, aber den Tod zu bringen eine einfache Sache. Ein Schnitt, ein Stich, ein Hieb.
    Einen Menschen töten ist das eine, mit der Sünde leben etwas anderes. Seid Ihr dem gewachsen?
    »Ich bin bereit«, meinte Rungholt grummelnd, als sei das die Antwort auf Mareks Frage.
    »Na schön. Aber du bist verfestet. Wenn es schlimm kommt, sag ich dir, sind wir es auch … Rungholt? Hörst du mich? … Rungholt? … Wir haben die Männer des Richters angegriffen. Sie haben sicher die Leiche entdeckt. Vadder unsir.« Er bekreuzigte sich.
    »Lass gut sein«, hörte er Sinje sagen. »Rungholt weiß schon, was er tut.«
    Rungholt blickte
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