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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das getan?«, keuchte er.
    Der Söldner drehte sich wieder zu ihm herum und schwenkte seine Waffe dabei wie zufällig in Torbens Richtung. »Ich bin ein ehrlicher Geschäftsmann«, sagte Pjotr. »Sie haben viel Geld bezahlt. Also haben Sie auch Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung. Ich bleibe ungern jemandem etwas schuldig.«
    Torben starrte ihn an. Er verstand nicht, was Pjotr meinte, und er war unfähig, zu antworten oder auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Aber er wusste nun, was er stets in Pjotrs Gegenwart gespürt hatte und was er noch immer spürte. Gewalt und Tod waren auch ein Teil von Mikails und den Leben der beiden Brüder gewesen, und bis zu einem gewissen Punkt auch seines eigenen. Aber mit Pjotr war es anders. Plötzlich war ihm klar, dass er in der Nähe des Russen nicht nur einfach den Tod gespürt hatte, sondern seinen eigenen Tod. Pjotr würde ihn umbringen, so einfach war das. Seltsam – er war fast erleichtert.
    »Wie gesagt: Sie waren sehr großzügig«, fuhr Pjotr fort, als er begriff, dass er keine Antwort bekommen würde. »Eindeutig zu großzügig. Das war ein Fehler.«
    »Wieso?«
    »Sie haben nicht viel Erfahrung im Umgang mit Leuten wie uns, nicht wahr?«, fragte Pjotr und beantwortete seine Frage gleich selbst, indem er den Kopf schüttelte. »Aber ich dafür mit Leuten wie Ihnen. Sie planen etwas. Etwas, das nicht legal ist und vor dem Sie selbst Angst haben. Also suchen Sie sich jemanden, der die Drecksarbeit für Sie erledigt und dabei nicht allzu viele Fragen stellt. Jemanden wie mich.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Torben.
    »Es gibt auch in unserem Gewerbe Regeln«, erwiderte Pjotr.
    »Und es gehört zu diesen Regeln, Ihre Kameraden umzubringen?«, fragte Torben. Er wartete darauf, dass die Angst kam, aber er spürte sie immer noch nicht.
    »Sie haben zu viel bezahlt«, sagte Pjotr. »Es gibt so etwas wie Tarife, wissen Sie? Selbst in unserem Gewerbe.«
    »Und was ist das Leben eines Säuglings wert?«, fragte Torben bitter. Warum tötete Pjotr ihn nicht einfach? Er wünschte sich so sehr, dass es vorbei wäre.
    »Ein Bruchteil dessen, was Sie mir und den anderen angeboten haben«, antwortete Pjotr. »Anfangs dachten wir nur, Sie wären einfach dumm oder verrückt. Ein reicher Spinner, der eine Menge Geld für einen leichten Job bezahlt.«
    »Vielleicht bin ich das ja«, sagte Torben.
    »Aber dann wurde ich nachdenklich«, fuhr der Russe unbeeindruckt fort. »Sie haben mich bezahlt, damit ich dabei zusehe, wie Sie ein Kind töten. Aber statt es zu tun, finden Sie ein zweites Kind und entschließen sich, beide mitzunehmen. Das ist seltsam.«
    In das immer noch anhaltende Geräusch des Feuerwerks hatte sich ein neuer Laut gemischt; ein dumpfes Wummern, fast unterhalb der Hörgrenze, das allmählich näher kam. Torben sah hoch und erblickte einen winzigen Lichtpunkt, der nicht zum Feuerwerk gehörte, sich aber trotzdem bewegte und dabei dem Dach näherte. Der Hubschrauber. »Das geht Sie nichts an«, sagte er.
    Pjotr schüttelte den Kopf, senkte seine Waffe und schoss Torben ins Knie. Es tat nicht weh. Torben spürte nur einen harten Schlag, dann knickte sein Bein unter ihm weg und er fiel schwer zu Boden. Irgendwie gelang es ihm, sich so zu drehen, dass er die Kinder nicht unter sich begrub, sondern sie mit seinem Körper vor dem Aufprall schützte, aber zu mehr reichte es nicht. Die beiden lebenden Bündel entglitten seinen Armen und rollten ein Stück weit davon, seltsamerweise gaben sie nicht den mindesten Laut von sich.
    »Falsche Antwort«, sagte Pjotr.
    Das Hubschraubergeräusch war näher gekommen. Torben schätzte, dass die Maschine in zwanzig oder höchstens dreißig Sekunden landen würde. Spätestens in diesem Moment würde Pjotr ihn erschießen.
    »Ich werde Ihnen sagen, wie ich die Sache sehe«, fuhr Pjotr fort. »An diesen Kindern ist etwas Besonderes. Etwas ungeheuer Wichtiges. Ich weiß nicht, was, und um ehrlich zu sein, kann ich es mir nicht einmal vorstellen, aber sie müssen verdammt wertvoll sein.«
    Wertvoller, als er sich auch nur vorstellen konnte, selbst jetzt. Torben sagte nichts, und wozu auch? Nichts, was er nun noch hätte sagen oder tun können, würde noch irgendetwas ändern. Er lag da und wartete auf den Tod. Sehnte ihn herbei wie niemals etwas zuvor.
    »Sie werden mir verraten, was es ist«, fuhr Pjotr fort.
    »Warum sollte ich das?«, murmelte Torben. »Sie bringen mich doch so oder so um.«
    »Nur wenn ich muss«, behauptete
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