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Flugrausch

Flugrausch

Titel: Flugrausch
Autoren: Garry Disher
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zweite Schuss. Diesmal zielte Casement besser, der Schuss kam tiefer, durchlöcherte einen Hinterreifen und zischte ihm um die Beine, wobei er am rechten Schienbein und in der Wade getroffen wurde.
    Challis rannte, bevor der Schmerz einsetzen konnte, rannte, bevor das Blut ihm in den Schuh suppte, rannte, bevor Casement nachladen oder ihm beweisen konnte, dass er ein ganzes Magazin voller Patronen hatte.

47
    Die folgenden drei Tage waren voller Verhöre, Papierkram und ambulanter Behandlungen im Krankenhaus, dann verübte Challis’ Frau auch noch einen weiteren Selbstmordversuch, und sein erster Gedanke war: Ich habe all dieses Sterben so satt.
    Diesmal hatte sie allerdings Erfolg mit den Schlaftabletten, die sie während ihrer Genesung im Gefängniskrankenhaus gestohlen und gesammelt hatte; die Pillen schafften, was sie mit spitzem Plastik und halbherzigen Schnittversuchen nicht geschafft hatte.
    Sie hinterließ einen Abschiedsbrief, in dem sie ihm die Schuld gab, doch Challis fühlte keinerlei Verantwortung. Er ging zur Beerdigung, sah den Sarg und fühlte nur Mitleid mit Bob und Margaret, die an seinem Arm hingen und sagten, wie Leid ihnen alles täte.
    Leid um ihre Tochter, Leid, dass er angeschossen worden war. Sie hielten sich an seinen Armen fest und boten ihm mit seinem bandagierten Bein und der Krücke nicht nur Halt und Mitgefühl, sondern stützten sich auch selbst.
    Das war allerdings erst am dritten Tag. Bis dahin waren Stunden fruchtloser Verhöre vergangen, Challis hatte am ersten Abend nur einen Notverband getragen, um bei Casement sofort nachsetzen zu können; danach hatte er sich die Schrotkugeln entfernen lassen müssen und war sofort wieder zurückgekehrt, um Casement weiterzuverhören.
    Der hatte gleich von Anfang an einen Anwalt dabei, einen übergewichtigen, verächtlich blickenden Mann, der im Verhörraum recht wacklig auf einem Plastikstuhl hockte. »Mein Klient räumt freiwillig eine versuchte Entführung und mehrmaligen Schusswaffengebrauch ein, doch er bestreitet, jemanden umgebracht zu haben.«
    »Ian Munro hat meine Frau umgebracht«, sagte Casement ganz entspannt. »Soweit ich weiß, hat er auch die Pearces erschossen. Und Trevor Hubble, also, da habe ich nicht die leiseste Ahnung.«
    »Aber Sie geben zu, dass Sie ihn gekannt haben.«
    »Ist schon Jahre her.«
    »Zwei, um genau zu sein. Sie waren Geschäftspartner, Sie haben das Geschäft übernommen, als Hubble nach England zurückkehrte, doch dann tauchte er letzten Oktober wieder auf, und Sie haben ihn umgebracht, weil Sie seine Identität angenommen hatten und er eine Bedrohung für Sie darstellte.«
    »Es war für meinen Klienten einfacher, den Papierkram auf Mr. Hubbles Namen weiterlaufen zu lassen, das ist alles«, sagte der Anwalt. »Er hat seine Steuern bezahlt, er ist niemandem was schuldig.«
    Am nächsten Tag konnte Challis jedoch dem Anwalt entgegenhalten: »Wir haben die Fingerabdrücke Ihres Klienten an Interpol und Scotland Yard weitergeleitet. Sein wahrer Name ist Michael Trigg, und er wird gesucht wegen Diebstahl, Betrug und Geldwäscherei. Wir beabsichtigen, ihn nach England auszuweisen, sobald er hier seine Strafe abgesessen hat.«
    »Mein Klient wird jede Tat bestreiten, die die englische Polizei ihm zur Last legen will. Außerdem bezweifle ich, dass er in diesem Land wegen versuchter Entführung und Schusswaffengebrauchs eine längere Haftstrafe absitzen wird.«
    »Mord nicht zu vergessen«, sagte Challis. »In vier Fällen.«
    »Aufgrund welcher Beweise?«
    Sie hatten keine. Challis hielt sich an das, was er wusste.
    »Scotland Yard zufolge hat Ihr Klient einen Kreis von Geschäftsfreunden um drei bis vier Millionen Pfund betrogen. Das Geld hat er über Dutzende von Konten gewaschen. Er verschwand vor dem Prozess und ist bisher auf der Flucht gewesen, bei der er eine ganze Reihe von falschen Namen angenommen hat.«
    »Ihr Klient«, das ging ihm leichter über die Lippen als »Casement«, »Billings« oder »Trigg«, doch im Geiste war Trigg Casement.
    »Wie ich schon sagte, ist mein Klient durchaus zuversichtlich …«
    »Kann Ihr Klient eigentlich auch für sich selbst sprechen?«, wollte Challis wissen. Er hatte Schmerzen, er fühlte sich nicht wohl, war gereizt.
    »Ich kann nur wiederholen, was mein Anwalt so eloquent ausgeführt hat«, sagte Casement leichthin. Er schien sich zu amüsieren, und Challis ging davon aus, dass Casement bei den Dingen, die uns normalerweise rühren, völlig ungerührt
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