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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039
Autoren: Chuck Palahniuk
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schlage weiter, bis der Stein ganz mit Blut bedeckt ist, bis die Zeitschrift in der Mitte durchgeweicht ist. Bis meine Hände rot verschmiert sind.
    Dann höre ich auf.
    Ich sage: Adam?
    Ich will die Zeitschrift anheben, aber sie zerreißt dabei. So durchnässt ist sie.
    Adams Hand sinkt schlaff zu Boden, und das blutige Püppchen rollt in das Grab, das ich ausgehoben habe, um etwas Festes zu finden.
    Ich sage: Adam?
    Der Wind hüllt uns in Rauch.
    Vom unteren Ende des Turms aus schiebt sich ein riesiger Schatten auf uns zu. Erst streift er Adam nur, dann hat er ihn vollständig zugedeckt.
     
    Meine Damen und Herren, soeben ist hier in Flug 2039 das dritte Triebwerk ausgefallen.
    Wir haben nur noch ein Triebwerk, bevor wir zum endgültigen Sinkflug ansetzen.

Kapitel 7
    Ich brauche den ganzen Vormittag, um Adam Branson im kalten Schatten des Kirchturms zu begraben. Unter den pornographischen Formationen, unter »Unersättlichen Arschlöchern« und »Hinreißenden Transvestiten« wühle ich mit bloßen Händen ein Loch in die Erde des Friedhofs. Grabsteine, in die Schädel und Trauerweiden gemeißelt sind, liegen um mich herum. Die Aufschriften sind so, wie man sich denken kann.
    In unseren Herzen lebst du weiter.
    Möge der Himmel sich ihrer erbarmen.
    Geliebter Vater.
    Innig geliebte Mutter.
    Bestürzte Familie.
    Der Herr verzeihe ihnen und schenke ihnen Frieden.
    Unfähige Sozialarbeiterin.
    Abscheulicher Agent.
    Irregeleiteter Bruder.
    Vielleicht liegt es am Botox, dem Botulinum-Toxin, das mir gespritzt wurde, oder an den Wechselwirkungen der Medikamente, vielleicht liegt es aber auch am Schlafmangel oder an den langfristigen Folgen des Aufmerksamkeitsentzugssyndroms. Jedenfalls empfinde ich absolut nichts. Ich habe einen bitteren Geschmack im Mund. Ich drücke auf die Lymphknoten an meinem Hals, fühle aber nur Verachtung.
    Vielleicht habe ich, nachdem sie nun alle gestorben sind, bloß ein Geschick dafür entwickelt, Menschen zu verlieren. Ein angeborenes Talent. Ein Segen.
    So wie Fertilitys Unfruchtbarkeit die perfekte Vorraussetzung
    für ihren Job als Ersatzmutter ist, habe ich vielleicht einen nützlichen Mangel an Gefühlen entwickelt.
    So wie man beim Anblick seines unterm Knie abgeschnittenen Beins im ersten Moment gar nichts spürt, stehe ich vielleicht nur unter einem vorübergehenden Schock.
    Aber das will ich nicht hoffen.
    Ich will, dass das so bleibt.
    Ich bete, dass ich nie mehr irgendetwas empfinde.
    Falls dieser Zustand sich legt, wird der Schmerz nämlich unerträglich sein. Der Schmerz wird mich für den Rest meines Lebens verfolgen.
    Man kann das nicht in Benimmkursen lernen, aber um Hunde davon abzuhalten, etwas auszugraben, was man vergraben hat, besprenkle man das Grab mit Ammoniak. Gegen Ameisen hilft Borax.
    Alaun vertreibt Kakerlaken.
    Pfefferminzöl hält Ratten fern.
    Blutränder unter den Fingernägeln bleichen aus, wenn man die Fingerspitzen in eine aufgeschnittene Zitrone steckt und kräftig hin und her bewegt. Danach mit warmem Wasser abspülen.
    In dem zertrümmerten Auto schwelen nur noch die Sitze. Eine schwarze Rauchfahne weht über das Tal. Als ich Adams Leiche aufhebe, fällt ihm die Pistole aus der Tasche. Das einzige Geräusch kommt von ein paar Fliegen, die hektisch um den Stein herumsummen, auf dem noch der blutige Abdruck meiner Hand zu sehen ist.
    Was von Adams Gesicht übrig ist, wird noch immer von der rot verklebten Zeitschrift bedeckt, und als ich erst seine Füße und dann seine Schultern in das frisch ausgehobene Loch hinablasse, erscheint am Horizont ein gelbes Taxi und holpert langsam auf mich zu.
    Das Loch ist gerade groß genug, dass Adam seitlich zusammengerollt hineinpasst. Ich knie am Rand und schaufle mit den Händen Erde über ihn.
    Als keine Erde mehr da ist, nehme ich verblichene Pornohefte, unzüchtige Bücher mit geplatzten Rücken, Traci Lords und John Holmes, Kayla Kleevage und Dick Rambone, Vibratoren mit ausgebrannten Batterien, abgewetzte Spielkarten, abgelaufene Kondome, porös und spröde, aber nie benutzt.
    Ich kenne das Gefühl.
    Gerippte Kondome für mehr Sensibilität.
    Sensibilität ist das Letzte, was ich jetzt brauchen kann.
    Kondome, innen mit einem Lokalanästhetikum zum längeren Durchhalten beschichtet. Was für ein Unsinn. Man spürt zwar nichts, kann aber stundenlang ficken.
    Da stimmt doch was nicht.
    Mein ganzes Leben müsste mit einem Lokalanästhetikum beschichtet sein.
    Das gelbe Taxi holpert über die Schlaglöcher immer
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