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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039
Autoren: Chuck Palahniuk
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näher. Es sitzt jemand am Steuer. Es sitzt jemand hinten.
    Keine Ahnung, wer das ist, aber ich kann es mir denken.
    Ich hebe die Pistole auf, und als ich sie mir in die Jackentasche schiebe, zerreißt der Lauf das Innenfutter: Auf diese Weise ist das Ding aber umso besser versteckt. Ob die Waffe geladen ist, weiß ich nicht.
    Das Taxi kommt in Rufweite zum Halt.
    Fertility steigt aus und winkt. Sie beugt sich ans Fahrerfenster. Der Wind trägt mir ihre Worte zu: »Warten Sie bitte. Ich bin gleich wieder da.«
    Dann bewegt sie sich auf mich zu, die Arme balancierend ausgebreitet, den Blick auf den Boden gerichtet, Schritt für Schritt über die glitschigen, glänzenden Schichten alter Zeitschriften. »Schwule Orgien«. »Schlucksüchtige Schlampen«.
    »Ich hab mir gedacht, du könntest jetzt vielleicht etwas Gesellschaft brauchen«, ruft sie.
    Ich sehe mich nach einem Papiertaschentuch oder einer im Schritt offenen Unterhose um, damit ich mir das Blut von den Händen wischen kann.
    Fertility blickt auf und sagt: »Wow, das ist ja ungeheuer symbolisch, wie da der Schatten von diesen Todesmonument der Credisten auf das Grab deines Bruders fällt.«
    Drei Stunden habe ich gebraucht, Adam unter die Erde zu bringen: So lange bin ich noch nie ohne angewiesenen Job gewesen. Jetzt ist aber Fertility Hollis hier und kann mir sagen, was ich tun soll. Ihr zu folgen, ist mein neuer Job.
    Fertility richtet den Blick auf den Horizont und sagt: »Genau so stelle ich mir das Tal der Todesschatten vor.« Sie sagt: »Du hast dir wirklich den richtigen Ort ausgesucht, deinem Bruder den Schädel einzuschlagen. Erinnert mich total an Kain und Abel, einfach irre.«
    Ich habe meinen Bruder getötet.
    Ich habe ihren Bruder getötet.
    Adam Branson.
    Trevor Hollis.
    Kein Bruder, der ein Telefon oder einen Stein besitzt, ist bei mir gut aufgehoben.
    Fertility greift in ihre Schultertasche und sagt: »Möchtest du ein Lakritz?«
    Ich halte ihr meine blutbeschmierten Hände hin.
    »Lieber nicht«, sagt sie.
    Sie dreht sich zögernd nach dem Taxi um und winkt. Aus dem Fahrerfenster kommt ein Arm und winkt zurück.
    Zu mir sagt sie: »Lass es mich kurz machen. Adam und Trevor haben sich mehr oder weniger selbst umgebracht.«
    Sie sagt, Trevor habe sich umgebracht, weil sein Leben ihm keine Überraschungen, keine Abenteuer mehr geboten habe. Er war unheilbar krank. Er starb an Langeweile. Als einziges Geheimnis war ihm der Tod geblieben.
    Adam wollte sterben, weil er wusste, dass er so, wie er erzogen worden war, nie etwas anderes als ein Credist sein konnte. Adam hat die überlebenden Credisten getötet, weil er wusste, dass eine alte Kultur von Sklaven niemals eine neue Kultur freier Menschen erschaffen konnte. Wie Moses, der die Stämme Israels eine Generation lang in der Wüste herumführte, wollte Adam, dass zwar ich, aber nicht meine sklavische Gesinnung überlebe.
    »Du hast meinen Bruder nicht getötet«, sagt Fertility.
    »Und du hast auch deinen Bruder nicht getötet«, sagt Fertility. »Eher könnte man deine Taten als Beihilfe zum Selbstmord bezeichnen.«
    Sie nimmt ein paar Blumen aus ihrer Schultertasche, echte Blumen, einen kleinen Strauß frischer Rosen und Nelken. Rote Rosen und weiße Nelken, hübsch zusammengebunden. »Also vergiss es«, sagt sie und geht in die Hocke, um sie auf die Zeitschriften zu legen, unter denen Adam begraben ist.
    »Auch das ist ein großes Symbol«, sagt sie, während sie von da unten zu mir aufblickt. »Diese Blumen werden in wenigen Stunden vermodert sein. Vögel werden auf sie scheißen. Von dem Rauch hier werden sie stinken, und morgen fährt wahrscheinlich ein Bulldozer über sie hin, aber hier und jetzt sind sie wunderschön.«
    Was für ein aufmerksames und liebenswürdiges Wesen sie ist.
    »Ja«, sagt sie, »ich weiß.«
    Fertility erhebt sich wieder, packt mich an einer sauberen Stelle meines Arms, einer Stelle, die nicht mit getrocknetem Blut verkrustet ist, und zieht mich in Richtung Taxi.
    »Abgestumpft und herzlos können wir später sein, wenn es mich nicht mehr so viel Geld kostet«, sagt sie.
    Auf dem Weg zum Taxi sagt sie, das ganze Land sei über meinen Schlag gegen den Superbowl in Aufruhr. Mit Flugzeug oder Bus zu reisen, sei jetzt völlig ausgeschlossen. In den Zeitungen werde ich der Antichrist genannt. Der credistische Massenmörder. Die Nachfrage nach Tender-Branson-Fanartikeln sei explodiert, wenn auch nur aus den falschen Gründen. Die großen Weltreligionen, die Katholiken und
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