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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039
Autoren: Chuck Palahniuk
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Juden und Baptisten und alle anderen, sie alle sagen jetzt: Wir haben es euch gleich gesagt.
    Bevor wir das Taxi erreichen, verstecke ich die blutigen Hände in den Jackentaschen. Die Pistole klebt an meinem Abzugfinger.
    Fertility macht die Tür auf und lässt mich hinten einsteigen. Dann geht sie ums Auto herum und steigt von der anderen Seite neben mir ein.
    Sie lächelt den Fahrer im Rückspiegel an und sagt: »Zurück nach Grand Island, würde ich sagen.«
    Das Taximeter sagt: Siebenhundertachtzig Dollar.
    Der Fahrer sieht mich im Rückspiegel an und sagt: »Hat Mama ihr Lieblingswichsheftchen weggeschmissen?« Er sagt: »Die Deponie ist ja wahnsinnig groß. Wer hier was verliert, findet es garantiert nie mehr wieder.«
    »Lass dich nicht von ihm reizen«, flüstert Fertility.
    Der Fahrer ist ein Säufer, flüstert sie. Sie hat vor, ihn mit ihrer Kreditkarte zu bezahlen, da er heute in zwei Tagen bei einem Unfall ums Leben kommen wird. Er wird keine Gelegenheit mehr haben, den Betrag einzulösen.
    Die Sonne steigt dem Zenit entgegen, und der Schatten des Betonturms wird zusehends kürzer.
    Ich frage: Wie geht’s meinem Fisch?
    »Oje«, sagt sie. »Dein Fisch.«
    Das Taxi rumpelt wieder in Richtung Außenwelt.
    Inzwischen sollte mir eigentlich nichts mehr wehtun, aber ich will das, was jetzt kommt, nicht hören.
    »Tut mir wirklich Leid. Dein Fisch«, sagt sie, »der ist gestorben.«
    Fisch Nummer 641.
    Ich frage: Hat er leiden müssen?
    »Ich glaube nicht«, sagt Fertility.
    Ich frage: Hast du vergessen, ihn zu füttern?
    »Nein.«
    Ich frage: Was ist denn passiert?
    »Ich weiß es nicht«, sagt Fertility. »Eines Tages war er einfach tot.«
    Ohne Grund.
    Ohne Sinn.
    Keine große politische Geste.
    Einfach gestorben.
    Wenn er auch bloß ein scheißdämlicher Fisch war, war er alles, was ich hatte.
    Mein geliebter Fisch.
    Nach allem, was passiert ist, sollte das eigentlich leicht zu ertragen sein.
    Innig geliebter Fisch.
    Und doch breche ich hier im Taxi, die Pistole in der Hand, die Hände in den Taschen, in Tränen aus.

Kapitel 6
    In Grand Island hatten wir einen kleinen Sohn, der schwer an Lupus erkrankt war, sodass wir ein paar Tage im dortigen Ronald-McDonald-Haus bleiben konnten.
    Danach fuhren wir in einem halben Parkwood Mansion nach Westen. Es gab nur vier Schlafzimmer, sonst nichts, und wir schliefen getrennt, mit zwei unbenutzten Zimmern zwischen uns.
    In Denver hatten wir ein Töchterchen mit Kinderlähmung und kamen deshalb in dem Ronald-McDonald-Haus dort unter, sodass wir wieder einmal schlafen konnten, ohne dass unter uns die Welt dahinrollte. Dort mussten wir uns zwar ein Zimmer teilen, aber das hatte immerhin zwei Betten.
    Am Stadtrand von Denver nahmen wir ein Topsail Estate Manor nach Cheyenne. Wir ließen uns einfach treiben. Es kostete ja nichts.
    Dann nahmen wir ein Sutton Place Townhome mit unbekanntem Ziel und landeten schließlich in Billings, Montana.
    Wir fingen an, Hausroulette zu spielen.
    Wir gingen nicht mehr in die Fernfahrerlokale, um herumzufragen, welches Haus wohin gebracht wurde. Wir schnitten uns einfach in irgendeins hinein und klebten die Öffnung wieder hinter uns zu.
    Drei Tage und drei Nächte fuhren wir in einem halben Flamingo Lodge und wachten erst auf, als es in Hamilton, Montana, auf sein Fundament gesetzt wurde. Und erst als schon die glückliche Familie, die es gekauft hatte, zur Vordertür hereinkam, verschwanden wir durch die Hintertür.
    Unser einziges Gepäck war Fertilitys Reisetasche und Adams Pistole.
    Wir hatten uns in der Wüste verirrt.
    In der Nähe von Missoula, Montana, nahmen wir ein Drittel von einem Craftsman Manor, das auf der Interstate 90 nach Westen transportiert wurde.
    Ein Schild schwebte vorbei: Spokane 300 Meilen.
    Hinter Spokane schwebte ein Schild vorbei: Seattle 200 Meilen.
    In Seattle hatten wir einen kleinen jungen mit einem Herzklappenfehler.
    In Tacoma hatten wir eine kleine Tochter ohne Gefühl in Armen und Beinen.
    Wir erzählten den Leuten, die Ärzte wüssten einfach nicht, was ihr fehle.
    Die Leute sagten, wir sollten auf ein Wunder hoffen.
    Die Leute, die wirklich Kinder hatten, Kinder, die bereits gestorben waren oder krebskrank im Sterben lagen, sagten uns, Gott sei gütig und gut.
    Wir lebten zusammen wie Verheiratete, sprachen aber fast nie miteinander.
    Durch Portland, Oregon, fuhren wir in einem halben Holly Hills Estate auf der Interstate 5 nach Süden.
    Ehe wir uns dazu bereit fühlen, sind wir zu Hause, wieder in
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