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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht
Autoren: Dean R. Koontz
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mir nur wenig geholfen.« »Aber geholfen hat es.«
    »Doch mehr ist wohl nicht zu machen. Was ich jetzt noch tun kann, ist, mit mir selbst darüber zu sprechen. Ich muß mich allein mit der Vergangenheit auseinandersetzen, ohne deine Hilfestellung oder die eines Arztes. Das habe ich eben noch nie fertiggebracht.« Ihr langes dunkles Haar fiel ihr über ein Auge; sie schob es aus dem Gesicht und hinter die Ohren. »Über kurz oder lang werd' ich schon damit klarkommen. Es ist nur eine Frage der Zeit.« Glaube ich das wirklich, fragte sie sich. Wally starrte sie einen Augenblick lang an und meinte dann: »Nun, du mußt es selbst am besten wissen. Nun kannst du wohl noch einen Schluck trinken.« Er erhob wieder sein Champagnerglas. »Sei vergnügt und munter, damit all diese wichtigen Leute, die uns beobachten, dich beneiden und mit dir zusammenarbeiten wollen.«
     
    Sie bemühte sich, sich zurückzulehnen, Unmengen eisigen Dom Perignon zu trinken und sich von ihrem Glücksgefühl überfluten zu lassen, doch dazu war sie nicht in der Lage. Die ganze Zeit über dachte sie an jene schemenhafte Finsternis am Rand der Dinge, an jenen zusammengekauerten Alptraum, der nur darauf wartete, sie anzuspringen und zu verzehren. Earl und Emma, ihre Eltern, hatten sie in eine winzige Schachtel der Angst gezwängt, den schweren Deckel zugeschlagen und ihn abgesperrt; und seit damals betrachtete sie aus der engen Begrenzung jener Schachtel die Welt. Earl und Emma prägten ihr den lautlosen, allgegenwärtigen und nicht abzuschüttelnden Wahn ein, der alles Gute zunichte machte, alles, was gut, hell, freudig hätte sein sollen. In diesem Augenblick steigerte sich der Haß auf ihre Mutter und ihren Vater so sehr und so ungeheuerlich, wie noch nie zuvor. Die Jahre der Arbeit und die vielen Meilen zwischen jenen Tagen der Hölle in Chicago hörten plötzlich auf, wie eine isolierende Schicht zwischen ihr und all dem Schmerz zu wirken.
     
    »Was ist denn?« fragte Wally. »Nichts. Alles in Ordnung.« »Du bist so blaß.«
    Sie bemühte sich verzweifelt, ihre Erinnerungen zu verdrängen, zwang die Vergangenheit dorthin zurück, wo sie hingehörte. Sie legte ihre Hand auf Wallys Wange und küßte ihn. »Tut mir leid. Manchmal kann ich unerträglich sein. Ich habe nicht einmal danke gesagt und bin doch so glücklich, daß du das geschafft hast, Wally, wirklich. Es ist wunderbar! Du bist der beste Agent der ganzen Branche.«
    »Da hast du recht«, sagte er. »Das bin ich. Aber diesmal mußte ich mich mit dem Verkaufen gar nicht so anstrengen. Das Drehbuch hat denen so gefallen, daß sie fast alles gegeben hätten, bloß um sicherzugehen, das Projekt zu bekommen. Das war nicht Glück. Das kommt auch nicht daher, daß du einen tüchtigen Agenten hast. Ich möchte, daß du das begreifst. Damit mußt du dich abfinden, Kleines. Du verdienst diesen Erfolg. Deine Drehbücher sind so ziemlich das Beste, was heutzutage geschrieben wird. Du kannst ruhig weiter im Schatten deiner Eltern leben und weiterhin das Schlimmste erwarten, wie du es immer tust. Aber von nun an wird das Beste für dich gerade gut genug sein. Ich rate dir, gewöhn' dich schnell daran.«
    Es drängte sie förmlich danach, ihm zu glauben und sich ganz dem Optimismus hinzugeben, aber aus der Saat Chicagos erwuchs noch immer das schwarze Unkraut des Zweifels. Und jene ihr vertrauten, lauernden Ungeheuer sah sie am verschwommenen Rand des Paradieses, das er ihr beschrieb. Sie glaubte fest an Murphys Gesetz: Wenn irgend etwas schiefgehen kann, dann wird es das auch.
    Dennoch überzeugte sie Wallys Ernsthaftigkeit; sie griff sogar in den brodelnden Hexenkessel ihrer verwirrten Gefühle und fand ein echtes, strahlendes Lächeln für ihn. »So ist's richtig«, meinte er erfreut. »Das ist schon viel besser. Du hast ein wunderschönes Lächeln.« »Ich werd' versuchen, es öfter zu benutzen.« »Und ich werde weiterhin Verträge für dich abschließen, die dich öfter dazu bringen.«
    Sie tranken Champagner, redeten über die Stunde des Wolfes, schmiedeten Pläne und lachten mehr, als all die Jahre zuvor. Mit der Zeit löste sich ihre Anspannung. Ein Macho-Filmstar – Augen wie Eis, schmale Lippen, Muskeln, das Gehabe eines Gockels, wenn er auf der Leinwand zu sehen war; warm, ein schnelles Lachen, im wirklichen Leben etwas scheu; sein letzter Film hatte fünfzig Millionen Dollar eingebracht – trat als erster an ihren Tisch, begrüßte sie und erkundigte sich, was es zu feiern gebe. Der
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