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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados
Autoren: Caroline Lawrence
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Knopf behielt ich in der Tasche.
    Ich ging davon aus, dass die Postkutsche jeden Moment fällig war. Ich presste mein Ohr gegen den Boden & hörte das schwache Dröhnen von Pferdehufen, die sich aus der Entfernung näherten.
    Ich dachte: »Wenn ich bloß noch für ein paar weitere Minuten unsichtbar bleiben kann, bin ich in Sicherheit.«
    Ich versuchte es mit dem Strauch-Trick.
    Aber es war schwer, so zu tun, als sei man ein Wüstenbeifuß, denn der Kojote ließ mich immerzu daran denken, dass Ma & Pa tot waren.
    Auch etwas anderes machte mir zu schaffen.
    Es war dieses prickelnde Gefühl, das ich manchmal habe, wenn ich beobachtet werde.
    Dann hörte ich eine Stimme brüllen: »Da ist er! Schnappt ihn euch, Jungs!«

KONTOBUCHBLATT 5

    Ich war auf den Beinen & wetzte davon wie ein Hase auf der Flucht. Aber dann erwischte mich jemand, und ich stürzte hart zu Boden. Aus meiner Lunge entwich alle Luft, und schon hatte ich den ganzen Mund voller Straßenstaub. Ich spuckte ihn aus. Mein Angreifer drehte mich zu sich herum & setzte sich auf mich.
    Erleichtert stellte ich fest, dass es bloß Olaf war, einer der drei ewigen Unruhestifter von der Schule. Alle drei lebten in Temperance und alle drei waren so gemein wie Stinktiere. Olaf war der schlimmste. Er nickte seinen Spießgesellen zu. Abe stellte einen Fuß auf mein linkes Handgelenk, und Charlie trampelte auf meinem rechten herum. Doch sie trugen keine leichten Mokassins wie ich. Schwere Schulstiefel trugen sie.
    »Warum bist du vor uns weggerannt?«, fragte Olaf in freundlichem Tonfall. Er saß auf mir, und ich konnte kaum atmen. »Du hast doch nicht gedacht, wir würden dich heute verprügeln, oder? Hast du nicht Geburtstag?«
    Ich nickte.
    Olaf stand auf und schaute Abe & Charlie an. »Sollen wir ihm was zum Geburtstag schenken?«
    »Yeah«, sagten die beiden anderen. Sie nahmen ihre Füße von meinen Handgelenken.
    »Magst du Schlagsahne, P. K.?« Olaf lächelte.
    Ich bin nicht gut darin, Menschen einzuschätzen.
    Ma Evangeline hatte mir erklärt, dass man sich das Gesicht eines Menschen ganz genau anschauen müsse, um zu erkennen, was er denkt. Sie brachte mir fünf Gesichtsausdrücke bei, auf die ich achten müsse.
Wenn der Mund von jemandem nach oben zeigt & sich seine Augen in Falten legen, ist es ein echtes Lächeln.
Wenn sich sein Mund in die Länge zieht & die Augen keine Falten werfen, ist es ein falsches Lächeln.
Wenn eine Person den Mund nach unten zieht & die Nase rümpft, ist die Person angewidert.
Wenn sich die Augen der Person ganz weit öffnen, ist sie wahrscheinlich erstaunt oder ängstlich.
Wenn die Person ihre Augen schmal werden lässt, ist sie entweder wütend auf dich oder denkt nach oder ist misstrauisch.
    Ich war mir ziemlich sicher, dass Olaf mir Ausdruck Nr. 2 zeigte, das falsche Lächeln. Aber die Sonne stand direkt hinter seinem Kopf und ich hatte Staub in den Augen. Ich konnte sein Gesicht nicht deutlich genug sehen, um seinen Ausdruck einschätzen zu können.
    »Magst du Schlagsahne?«, fragte er wieder.
    Ich mag Schlagsahne lieber als verprügelt zu werden.Also nickte ich, auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass es sich um eine Fangfrage handelte.
    Ich hatte recht. Es war eine Fangfrage.
    Olaf schaute die anderen beiden an. »Dann geben wir dem Unfall der Natur zwölf Portionen«, sagte er. »Einen Schlag pro Jahr. Hahaha.«
    Sie beugten sich über mich & begannen, auf mich einzuschlagen. Also krümmte ich mich zusammen wie eine Kellerassel.
    Ganz plötzlich hörten sie mit dem Prügeln auf, und Olaf sagte: »Schaut! Da kommt der Rest des dreckigen Stammes, um ihn zu retten.«
    »Die seh’n aber nicht aus wie die Indianer, die ich schon mal gesehen hab«, sagte Abe.
    »Hat der ganz vorn Blut an seinem Tomahawk?«, fragte Charlie. Seine Stimme war etwas wacklig.
    »Sind das Skalps, die da an seinem Gürtel hängen?« Abes Stimme knickte ein.
    Ich öffnete meine zusammengekniffenen Augen & drehte den Kopf, um zu sehen, wohin die drei schauten.
    Walt & seine zwei falschen Indianerfreunde kamen zu Fuß die Straße hinunter. Walt hielt das Beil in der Hand, das in Pas Brust gesteckt hatte. Es war noch immer blutig. Sie kamen direkt auf uns zu – in eindeutiger Absicht.
    »Mist!«, schrie Olaf. Seine Augen wurden sehr groß. Entweder war er erstaunt oder hatte Angst, vielleicht auch beides. »Lasst uns hier abhauen!«
    Er & die anderen rannten auf einige Kiefern zu, die etwa eine halbe Meile entfernt standen. Ich glaube nicht, dass
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