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Flucht vor den Desperados

Flucht vor den Desperados

Titel: Flucht vor den Desperados
Autoren: Caroline Lawrence
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genug Blut gesehen, um das bestätigen zu können –, aber trotzdem hatte ich immer das Gefühl gehabt, anders zu sein als sie und Pa Emmet. Nicht nur anders als diebeiden, anders als alle anderen. Ich nickte, um dem Kutscher zu zeigen, dass ich an meinem Platz bleiben würde.
    Er ließ seine Peitsche schnalzen, und die Kutsche holperte wieder voran.
    Der Staub hatte sich gelegt, also warf ich einen Blick zurück, um zu sehen, ob Walt mich verfolgte. Hinter uns war nichts außer Beifußsträuchern und Wüste. Ich war mächtig erleichtert.
    Ich klammerte mich an die Stange & drückte mich wieder gegen das glatt lackierte Dach der Kutsche. Es war heiß an diesem Tag, & während wir auf Dayton zurumpelten, fühlte ich mich wie ein Spiegelei auf einem Backblech. Ich versuchte, die Augen zu schließen, aber dann tauchte vor mir sofort das Bild auf, wie Ma & Pa in einer Lache von Blut lagen. Also wandte ich den Kopf nach rechts & und sah zu, wie die staubige Ebene an uns vorbeizog.
    Es dauerte nicht lange, bis die Kutsche ein wenig langsamer wurde und ich das Poltern der hölzernen Brücke hörte, auf der wir den Carson River überquerten. Ich hob meinen Kopf und sah, wie eine Münze aufblitzte, die der Kutscher dem Mann an der Zollstation zuwarf. Dann peitschte er wieder sein Gespann, und kurze Zeit später erreichten wir Dayton.
    Ich gehe in Dayton zur Schule, aber dies war das erste Mal, dass ich die Kutsche dorthin genommen hatte.
    Dayton wurde von den Leuten früher »Chinatown« genannt, weil dort so viele Chinesen lebten. Die meisten von ihnen waren aber inzwischen nach Virginia City hinaufgezogen oder arbeiteten an der neuen Eisenbahnstrecke, die in den Osten führte. Heute heißt es also Dayton. Pa hattemir erzählt, es sei die älteste Stadt im Territorium, auch wenn Mormon Station dies ebenfalls von sich behauptet. Beide Städte sind 1849 entstanden, sodass sie heute 13 Jahre alt sind, ein Jahr älter als ich. Aber dafür bin ich älter als Virginia City, das es erst seit etwa drei Jahren gibt.
    Als die Kutsche vor dem Nevada Hotel an Daytons Main Street anhielt, konnte ich die Pferde schnauben & prusten hören, außerdem die Stimmen von Männern & einer Frau, die lachten. Die Kutsche schaukelte etwas, als jemand ein- oder ausstieg. Ich war mir nicht sicher & ich wollte nicht hinsehen, um mich nicht zu verraten.
    Ich konnte einen Vogel singen hören & ich konnte die Reihe der Pappeln & Weidenbäume sehen, die das Flussbett säumten. Ich dachte an meine Lehrerin, eine alte Jungfer namens Miss Marlowe. Sie war immer nett zu mir gewesen. Ich war kurz davor abzusteigen & sie zu bitten, mich zu verstecken. Vielleicht hätte ich das tun sollen.
    Aber ich wollte so weit wie möglich weg von Walt und seiner Bande, also machte ich den Fehler, auf dieser Postkutsche liegen zu bleiben.

KONTOBUCHBLATT 7

    Kurz nachdem die Kutsche Dayton verlassen hatte, erreichten wir die neue Zollstraße, die durch den Gold Canyon führt. Die Straße schlängelte sich zwischen gelb gewordenen Pappeln und gigantischen grauen Felsen hin und her. Zuerst stand die Sonne vor uns, denn es war später Nachmittag & wir fuhren nach Westen, aber bald schon wanderte sie neben uns her, da wir uns nördlich hielten. Diese neue Straße war zwar eben, sodass wir kaum durch Schlaglöcher holperten, aber die Steigung war so steil, dass ich mich fest an die vordere Stange klammern musste, um nicht vom glatten Dach der Kutsche zu rutschen.
    Nach vielleicht einer halben Stunde wurden wir langsamer und hielten. Der Fahrer rief »Silver City!«, machte eine der Reisetaschen los, die neben mir an die Stange gebunden waren, & warf sie hinunter. Durch ihre Abwesenheit kam ich mir entblößt vor, also hielt ich den Kopf gesenkt, während jemand zustieg. Bald waren wir wieder in Bewegung.
    Auch wenn Virginia City nur wenige Meilen von Daytonentfernt liegt, war ich noch nie dort gewesen. Ma hatte es sich anschauen wollen, als wir damals hier angekommen waren, aber Pa hatte es verboten. Er nannte es den Spielplatz des Satans.
    Pa sagte, Virginia City sei der verkommenste Ort auf Erden, sogar noch schlimmer als San Francisco. Er erzählte uns, dass die ersten 27 Männer, die man dort auf dem Friedhof begraben hatte, allesamt ermordet worden seien. Pa sagte, man sei hier nichts wert, bis man »seinen ersten Mann umgelegt« hätte. In Virginia City, meinte er, sei nicht der Priester oder der Polizeichef der respektierteste Mann, sondern der Saloonbetreiber mit seinem
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